Die Poetik von Aristoteles ist uns leider nur fragmentarisch überliefert worden und deshalb etwas sperrig zu lesen. Einige Teile fehlen und der vermutete zweite Teil, den über die Komödie, ging ganz verloren. Trotzdem habe ich versucht seine Dichtungstheorie so gut als möglich zu verstehen und so sinnvoll, wie es mir möglich war, zusammenzufassen.
Möglicherweise hilft dir auch dieser Artikel zu den 10 wichtigsten Konzepten aus der Poetik von Aristoteles. Übrigens war sein Text zur Poetik nicht zur Veröffentlichung gedacht, sondern mehr als ein Text für eine Vorlesung vorgesehen. Dies ist deshalb eindeutig, weil der Text nicht in Dialogform, sondern in Aufsatzform geschrieben wurde.
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Autorin: Isabel Sulger Büel, veröffentlicht: 12. März 2021, letzte Aktualisierung: 7. Juli 2023.
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Kapitel 1: Das erste Unterscheidungsmerkmal
Die Poetik von Aristoteles handelt von der Dichtkunst selbst, von ihren Gattungen, deren Wirkungen und wie die Handlungen zusammengefügt werden muss, damit eine gute Dichtung entsteht.
Alle Formen der Darstellung, egal ob Epik, Tragödie, Komödie, Dithyrambendichtung (Art der Chorlyrik für den Gott Dionysos), Flöten- und Zitherspiel sind Arten der Nachahmung. Allerdings unterscheiden sich diese Gattungen durch jeweils drei Faktoren: entweder dadurch, dass sie verschiedene Mittel verwenden oder dadurch, dass sie je verschiedene Gegenstände behandeln oder dadurch, dass sie auf unterschiedliche Weise nachahmen.
Drei Mittel sind für die Gattungen der Nachahmung grundlegend: Rhythmus, Sprache und Melodie. Einige Gattungen benötigen nur eines dieser Mittel, andere benötigen mehrere davon.
Kapitel 2: Das zweite Unterscheidungsmerkmal
In den verschiedenen Gattungen werden handelnde Menschen nachgeahmt. Diese sind in erster Linie gut oder schlecht, da ihr Charakter entweder in Schlechtigkeit oder Güte überwiegt. Demnach werden Handelnde nachgeahmt, die entweder besser oder schlechter sind als wir oder uns ähnlich sind. Zur Veranschaulichung nennt Aristoteles je drei Beispiele aus der Malerei und der Dichtkunst. Der erste grosse Unterschied zwischen Tragödie und Komödie ist für Aristoteles, dass die Komödie schlechtere Menschen und die Tragödie bessere Menschen nachahmen, als diese in der Wirklichkeit vorkommen. Uns ähnliche Menschen fallen in diesen Gattungen anscheinend weg.
Kapitel 3: Das dritte Unterscheidungsmerkmal
Das dritte Unterscheidungsmerkmal ist die Art und Weise, wie eine Nachahmung von statten geht. Dabei bezieht sich Aristoteles eigentlich nur auf die Dichtung im engeren Sinne, versucht dieses Konzept auf alle nachahmenden Gattungen auszuweiten. Aristoteles bezeichnet die Werke von Homer und Aristophanes als «Dramen», da sie «sich Betätigende» nachahmen. Dann stellt Aristoteles noch einige Vermutungen zu der Wortherkunft für den Begriff der Komödie an, von welchen jene der Dorer vom Wort «komai», was Vorort bedeutet, als richtig vermutet wird. Diese beinhaltet einen Festzug für den Gott Dionysios (wahrscheinlich durch Vororte).
Kapitel 4: Entstehung der Dichtkunst
Nach Aristoteles haben zwei natürliche Ursachen die Dichtkunst hervorgebracht: Zum einen die Nachahmung (Mimesis), welche dem Menschen von der Kindheit an gegeben sei und zum anderen den Rhythmus und die Melodie, welche zu Versen als Einheiten von Rhythmen geführt haben. Jene Personen, welche nun besonders begabt in Rhythmus und Melodie waren, haben aus der Improvisation die Dichtkunst hervorgebracht.
Dann geht Aristoteles auf die Geschichte der Tragödie und Komödie ein. Er glaubt, dass edlere Dichter Preislieder und Hymnen, also Handlungen von guten Menschen hervorgebracht haben und dass die gewöhnlichen Dichter Handlungen von Schlechteren, also Rügelieder, gedichtet haben.
Aristoteles verknüpft die jambische Dichtung mit der Komödie, da diese ursprünglich aus dem Spottvers stamme. Der Tragik schreibt er die heroische Dichtung zu, welche er als Epik bezeichnet. Die epische Dichtform findet man also, nach Aristoteles, in der Tragödie wieder.
Die Tragödie entstand aus der Improvisation während des Dithyrambus, machte dann einen ausgiebigen Entwicklungsprozess durch bis schliesslich die uns bekannte Form der Tragödie entstanden war. Den Entwicklungsprozess gliedert Aristoteles wie folgt:
Vom Chor zur Tragödie
1. Nur Chor und ein Schauspieler
2. Aischylos: weniger Chorpassagen und zwei Schauspieler
3. Sophokles: weniger Chorpassagen, drei Schauspieler und das Bühnenbild
Der Prozess der Dichtform
1. Dithyrambus: Chorlyrik (Kultlied zu Ehren des Dionysos)
2. Satyrisch: Ein Satyrspiel ähnliche Vorstufe mit drei Merkmalen:
- Kurze Handlung
- Auf Lachen zielende Diktion
- Trochäische Tetrameter als geeignetes Versmass (da tänzerische Wiedergabe)
3. Das Satyrische wurde bereits abgestreift. Die Dichtform hat sich zum Jambus gewandelt, da der Dialog eingebaut wurde und der Jambus für Dialoge am geeignetsten war. Aristoteles beweist dies daran, dass der Jambus in der Alltagssprache des antiken Griechenlands natürlicherweise verwendet wurde.
Kapitel 5: Unterschiede zwischen der Tragödie und der Komödie
Die Komödie ahmt schlechte Menschen nach. Allerdings ist diese Schlechtigkeit auf das lächerliche im Hässlichen zu beziehen. Die Lächerlichkeit ist nach Aristoteles ein mit Hässlichkeit verbundener Fehler, welcher aber keinen Schmerz und kein Verderben verursacht (im Gegensatz zur Tragödie). Komödien etablierten sich etwa 50 Jahre nach der Tragödie, weshalb ihre Geschichte nach Aristoteles unklarer (im Dunkeln) ist.
Die Epik ist der Tragödie darin ähnlich, dass beide von guten Menschen handeln, wobei die Epik nur ein einziges Versmass verwendet und den Text berichtend überliefert wird. Ein weiterer Unterschied bilden die Zeiträume, in denen die Handlungen spielen. Während bei der Epik Jahrzehnte erzählt werden können (Odyssee) werden bei der Tragödie meist Handlungen von 24 Stunden (eines einzigen Sonnenumlaufs) wiedergegeben.
Alle Teile der Epik sind auch in der Tragödie vorhanden, aber nicht alle Teile der Tragödie sind in der Epik vorhanden. Daher kann ein geschultes Auge für Tragödien sowohl bei derselben als auch bei den Epen die Qualität der Handlung beurteilen.
Kapitel 6: Bestimmung der Tragödie
Die Bestimmung der Tragödie ist es, im Zuschauenden Jammern und Schaudern auszulösen und so den Zuschauenden vom Übermass dieser Emotionen, welche in ihm schlummern, zu «reinigen».
In der Tragödie werden die Dialoge in Versen und Rhythmen gesprochen, die Chorlieder aber durch Melodie vertont. Nach Aristoteles vollführen handelnde Personen eine Nachahmung, welche durch Charakter und Erkenntnisfähigkeit bestimmt wird. Er meint damit die Rolle, welche durch ihr Handeln ihren Charakter zeigt und durch diesen ihr Glück oder Unglück bestimmt.
Weiter teilt Aristoteles eine Tragödie in sechs qualitative Teile ein, welche er in drei Kategorien gliedert
- Eine Art: Die Inszenierung
- Zwei Mittel: Melodik und Sprache
- Drei Gegenstände: Mythos, Charaktere, Erkenntnisfähigkeit
Aristoteles definiert weiter, dass nur eine Zusammenfügung von Geschehnissen, also mehrere verwobene Handlungsstränge zu einer echten Tragödie führen können.
Die Nachahmung von Handlung ist der Mythos. Unter dem Mythos versteht Aristoteles die Zusammensetzung der Geschehnisse (welche eben aus ihnen selbst heraus entstehen sollen).
Die Charaktere sind die Wertung der Handlung des Nachahmenden (gut/schlecht).
Die Erkenntnisfähigkeit ist das, was sie in ihren Reden aussagen oder wodurch sie urteilen.
Der wichtigste Teil ist die Zusammenfügung der Geschehnisse (und auch der schwerste).
Um den Charakter zu spielen, fügt sich der Schauspielende der Handlung des Stücks, deshalb bestimmt die Handlung das Glück oder Unglück der Figur und bestimmt auch die Beschaffenheit ihres Charakters. Ohne Handlung wäre keine Tragödie möglich, sehr wohl aber ohne Charakter einer Figur.
Jedenfalls definiert und kategorisiert Aristoteles folgende vier Punkte in genannter Reihenfolge als wichtig für die Tragödie
- Mythos: als Fundament für die Tragödie
- Charaktere: als spezifisch Handelnde
- Erkenntnisfähigkeit: als Neigung und Beschaffenheit der Figur/Rolle
- Sprache: zur Verständigung im Allgemeinen
Kapitel 7: Länge der Tragödie
Da die Zusammenfügung der Geschehnisse grundlegend ist, behandelt Aristoteles diese im Kapitel sieben ausführlich. Die Handlung muss in sich geschlossen und ganzheitlich sein und einer bestimmten Länge entsprechen (24h). Als ganzes wird etwas mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende bezeichnet. Aristoteles definiert also die Dreiteilung der Tragödie in Anfang, Mitte und Ende. Er bestimmt diese Begriffe Anfang, Ende und Mitte so, wie sie dem heutigen Verständnis entsprechen (S.25).
Wichtig bei der Zusammenfügung der Geschehnisse ist die Berücksichtigung der Länge und der Anordnung. Die Handlungen einer Tragödie bedürfen einer bestimmten Länge und Anordnung, damit sich diese beim Publikum einprägen. Wenn dies nicht der Fall ist, tritt die eigentliche Wirkung der Tragödie, welche durch Jammern und Schaudern zur «Reinigung» (Katharsis) führt, nicht ein.
Die Länge des Stücks muss, so Aristoteles, durch die Handlung bestimmt werden. Die Handlung muss so lange sein, dass der Glücksumschwung des Helden erzählt werden kann. Die Geschichte des Helden ist also so lange zu erzählen, bis jener sich durch einen selbst verursachten Fehler (hamartía) ins Unglück bringt.
Kapitel 8: Anordnung der Geschichte
Der Held alleine bestimmt nicht die Einheit des Stücks, sondern die Anordnung der Geschehnisse in der Handlung bestimmen diese Einheit. Als Beispiel bringt Aristoteles die Odyssee von Homer, in welcher gewisse Elemente der Erzählung bewusst ausgelassen werden oder als Rückblenden zum richtigen Zeitpunkt, von anderen Personen als dem Helden, eingeflochten werden. Aristoteles befürwortet eine anachronische (Erzählung mit vor- und rückblenden) Erzählweise, welche Ellipsen enthält. Erzähltes darf nur in der Geschichte vorhanden sein, wenn es diese massgeblich beeinflusst.
Kapitel 9: Unterschied zwischen Geschichtsschreibenden und Dichtenden
Aristoteles unterscheidet Geschichtsschreibende und Dichtende wie folgt: Der Erste beschreibt, was wirklich geschehen ist. Der Zweite beschreibt, was geschehen sein könnte. Dies macht, nach Aristoteles, die Dichtung zu einem philosophischen Gegenstand.
Dichtung: behandelt Allgemeines
Geschichtsschreibung: behandelt Spezifisches
Dichtung will das allgemeine Wesen des Menschen einfangen.
Komödien seien, nach Aristoteles, nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit aufgebaut. Die Dichter der Komödien erstellen zuerst das Stück und die Handlung(en) und geben den Figuren erst zum Ende Namen. Tragödien handeln von Personen, welche wirklich gelebt haben. Aristoteles begründet dies damit, dass wirklich geschehenes glaubwürdig ist.
Man darf Tragödien aber auch erfinden, so wie dies «Agathon» im Stück «Antheus» tat. Es bereite trotzdem vergnügen. Daraus schliesst Aristoteles, dass Dichter mehr mit Fabeln zu tun haben als mit Versen: Denn Dichter beschreiben Handlungen und Handlungen dürfen erfunden sein, solange sie mit gewisser Wahrscheinlichkeit hätten geschehen können.
Die Schauspieler der attischen Antike mochten Theaterstücke mit Deklamationen lieber, da sie mit diesen ihre rhetorischen Fähigkeiten zur Schau stellen konnten. Nach Aristoteles ziehen diese das Stück aber unnötigerweise in die Länge und würden den Zusammenhang der Handlung zerreissen. Eine Nachahmung bedingt eine geschlossene Handlung, aber auch Schaudererregendes und Jammervolles.
Kapitel 10: Einfache und komplizierte Handlungen
Jammern und Schaudern entstehen vor allem dann, wenn die Ereignisse überraschend eintreten und trotzdem auseinander hervorgehen. Dabei unterscheidet Aristoteles zwei Arten der Handlungen, die Einfachen und die Komplizierten. Einfache Handlungen bilden eine Einheit, vollziehen aber ihre Wende (Glücksumschwung) ohne Wiedererkennung. Im Gegensatz dazu vollzieht eine komplizierte Handlung eine Einheit und eine Wende mit Wiedererkennung. (Eine Wende, in der sich Personen wiedererkennen.)
Dies geht daraus hervor, ob ein Ereignis infolge eines anderen entsteht oder ob ein Ereignis nach dem anderen geschieht. Die Wende definiert Aristoteles als den Umschlag von dem was erreicht werden soll, in das Gegenteil davon. Die Wende untersteht dabei den Gesetzmässigkeiten von Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit.
Kapitel 11: Definition der Wiedererkennung
Die Wiedererkennung definiert Aristoteles als den Umschlag von Unkenntnis in (Er-)Kenntnis. Am besten sollte die Wiedererkennung mit der Wende (Peripetie) eintreten. Die Wiedererkennung kann auch Gegenstände und Taten beinhalten, allerdings distanziert sich Aristoteles von diesen beiden Möglichkeiten und fokussiert auf die Wiedererkennung von Personen, da diese am besten zur Fabel und zur Handlung passt.
Dies begründet Aristoteles dadurch, dass nur die Wiedererkennung von Personen mit einer zusammenfallenden Peripetie «Jammer und Schauder» hervorruft und dies ist, durch die daraus folgende Katharsis, der Sinn einer Tragödie. Weiter entsteht aus diesem Zusammenfallen das Glück oder das Unglück (im Fall der Tragödie eher das Unglück) der Personen.
Deshalb fokussiert Aristoteles auf die Wiedererkennung von Personen, in welchem die eine Person im Verhältnis zur anderen Person steht und sich bald beide gegenseitig wiedererkennen.
Die Peripetie und die Wiedererkennung sind zwei Teile der Fabel einer Tragödie, der dritte Teil ist das Leid. Leid bedeuten in der aristotelischen Tragödie Todesfälle auf offener Bühne, heftige Schmerzen, Verwundungen und dergleichen mehr.
Kapitel 12: Teile einer Tragödie
Eine Tragödie besteht ausfolgenden Teilen
Prolog: Ganzer Teil der Tragödie vor dem Einzug des Chors
Parodos: Der erste ganze Teil, den der Chor vorträgt
Episode: Der ganze Teil der Tragödie zwischen ganzen Chorliedern
Stasimon: Standlied des Chors (zu Aristoteles Zeiten ohne Anapäst und Trochäus)
Exodos: Der ganze Teil der Tragödie nach dem letzten Chorlied
Eine Besonderheit gibt es nur in der Tragödie: Den Kommos; ein vom Chor und vom Solosänger gemeinsam gesungenes Klagelied.
Kapitel 13: Definition des tragischen Helden
Keine tragischen Helden sind
1. Makellose Männer im tragischen Glücksumschwung, dies wäre nach Aristoteles abscheulich, da der Glaube an eine sinnvolle Weltordnung zerstört würde.
2. Der Schuft, welcher vom Unglück ins Glück findet. Dieses Szenario ist zu untragisch, da es weder menschenfreundlich (natürlich) noch schaudererregend oder jammervoll sei.
3. Der ganz schlechte Mensch, welcher einen Umschlag vom Glück ins Unglück erlebt. Dieses Szenario ist zwar menschenfreundlich, aber ohne Jammer noch Schauder. Denn der Jammer stellt sich beim Publikum nur ein, wenn dies einem Menschen passiert, der sein Unglück nicht verdient hat und ein schlechter Mensch verdient dies. Zum anderen stellt sich der Schauder nur bei Publikum ein, wenn der tragische Held dem Publikum in gewisser Weise ähnelt, was ein ganz schlechter Mensch nicht tut. Deshalb ist der Glücksumschwung eines ganz schlechten Menschen weder jammervoll noch schaudererregend.
Ein tragischer Held ist
4. Übrig bleibt der Held, der zwischen den genannten Möglichkeiten steht. Dies ist bei jemandem der Fall, der nicht trotz seiner sittlichen Grösse und seines Gerechtigkeitsstrebens, aber auch nicht wegen seiner Schlechtigkeit und Gemeinheit einen Umschlag ins Unglück erlebt, sondern wegen eines Fehlers. (Dieser soll durch mangelnde Einsicht entstehen.)
Eine Tragödie muss vom Glück ins Unglück führen, weil nur die tragischste Tragödie Jammern und Schaudern auslöst. Dies bedeutet dann auch die beste Tragödie zu sein.
Kapitel 14: Die pathosträchtige Konfliktsituation
Hier beginnt Aristoteles mit einem neuen Thema, nämlich der pathosträchtigen Konfliktsituation.
Erstens beinhaltet diese, dass der innere Zusammenhang wichtiger ist als die szenische Darbietung. (Wie beim Film, nur ein gutes Script ergibt einen guten Film.) Dabei soll sich die tragische Wirkung schon aus dem inneren Zusammenhang ergeben.
Zweitens beinhaltet diese, eine intensive Wirkung, in dem ein leidvolles Geschehen unter sich nahestehenden Personen geschieht.
Drittens entscheidet das Wissen oder Nichtwissen der Figuren, über diese nahestehende Beziehung zwischen ihnen, darüber ob eine Tat/Handlung vollzogen oder verhindert wird.
Ein Beispiel: Ödipus der seinen Vater tötet und seine Mutter heiratet, weil er eben nicht weiss, dass dieses Paar seine Eltern sind und nach dem er es erfährt den Freitod wählt.
Eine Tragödie darf nach Aristoteles schauderhaft sein, aber niemals grauenhaft. Was Aristoteles unter Grauenhaft versteht, ist für mich unklar.
Jedenfalls müssen folgende Begebenheiten gegeben sein, um in einer Tragödie furchtbare oder bejammernswerte Ereignisse zu erzeugen:
Notwendigerweise geschehen solche Handlungen zwischen sich nahestehenden Personen, Feinden oder Personen, die sich nicht nahestehen.
- Wenn ein Feind einem Feind etwas antut, entsteht kein Jammer nur Leid. Dasselbe gilt für sich nicht nahestehende Personen.
- Als nahestehende Personen werden von Aristoteles immer Familienmitglieder genannt (Vater – Sohn, Sohn – Mutter, Mutter – Vater)
Der Dichter hat in der Handlung keinen Spielraum, wenn Orestes seine Mutter tötet, muss diese Handlung in jeder Adaption bleiben. Allerdings kann der Dichter die Motivation der Figuren beeinflussen.
Aristoteles nennt vier Motivationen für eine Figur
- (Vermutete Variante, die im Text selbst fehlt) Die Tat wird mit voller Absicht geplant, aber nicht ausgeführt. Enthält Abscheu, aber nicht tragisches und bildet deshalb die schlechteste Variante.
- Die handelnde Figur vollzieht die Tat in vollem Wissen. (z.B. Medea) Bildet nach Aristoteles die zweit schlechteste Variante.
- Die Furchtbarkeit der Handlung bleibt der handelnden Figur erst unbekannt. Erst nachdem die Handlung ausgeführt wurde, erkennt die Figur deren Tragweite. (z.B. Ödipus) Diese Art der Motivation enthält nichts abscheuliches, aber dafür als zweites eine tiefe Erschütterung. Diese Variante findet Aristoteles die zweitbeste Variante.
- Die Figur hegt die Absicht aus Unkenntnis etwas Unheilbares (unverzeihliches) zu tun, erlangt kurz davor aber die Einsicht über deren Tragweite und führt die Tat nicht aus. Diese Variante findet Aristoteles die beste Variante.
Kapitel 15: Eigenschaften von glaubwürdigen Charakteren
Charaktere beinhalten nach Aristoteles vier Merkmale
- Tüchtigkeit: Der tragische Held muss tüchtig sein. Das bedeutet, bestimmte Neigungen müssten tüchtig sein. Beherrschte gelten als weniger tüchtig als herrschende.
- Angemessenheit: Eine Frau kann tapfer sein, aber nicht in derselben Weise wie ein Mann dies ist. Aristoteles erwartet vom Dichter eine Differenzierung, welche erkennbar ist.
- Ähnliches: Ist aber anders als tüchtig und angemessen.
- Gleichmässigkeit: Wenn eine Figur einen ungleichmässigen Charakter hat, muss dieser immerhin auf gleichmässige Weise ungleichmässig sein.
Als Beispiel für einen in unnötiger Weise schlechten Charakter nennt Aristoteles Menelaos aus dem Stück Orestes. Als weiteres Beispiel für einen unangepassten und nicht angemessenen Charakter nennt er das Klagelied des Odysseus in der «Skylla». Zuletzt nennt Aristoteles die «Iphigenie auf Aulis» als Beispiel, für einen ungleichmässigen Charakter, da sie erst um Gnade für ihre Opferung bittet und danach sich freudig willig Opfern lassen will.
Weiter muss ein Dichter sowohl bei den Charakteren als auch bei der Zusammenfügung der Geschehnisse stets auf die Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit bedacht sein. Eine Handlung sollte aus sich selbst entstehen und nicht durch den Eingriff eines Gottes herbeigeführt werden (Deus ex Machina). Götter dürfen von einem Dichter nur verwendet werden, wenn sie ausserhalb der Bühnenhandlung eingeflochten werden (Vorgeschichte & Voraussagen). In den Geschehnissen einer Handlung muss alles aufgehen. Es sollte keine «Deus ex Machina» nötig sein.
Individuelle Züge der Charaktere müssen wiedergegeben werden. Dabei verwendet Aristoteles immer zwei Komponenten, davon ist eine positiv und eine negativ. Als Beispiel nennt er Achilleus, welcher schroff und tüchtig ist.
Kapitel 16: Arten der Wiedererkennung
1. Wiedererkennung durch Zeichen
Diese Art wird von Aristoteles als die schwächste Art der Wiedererkennung bezeichnet und gleichzeitig als jene, welche am häufigsten verwendet wird. Zeichen sind dabei angeboren oder erworben, also beispielsweise Geburtsmale oder Narben.
2. Vom Dichter erdachte Wiedererkennung
Diese Art der Wiedererkennung findet Aristoteles ebenfalls kunstlos, da sie zu direkt und einfach sei. Als Beispiel nennt Aristoteles Orestes, der von sich aussagt, dass er Orestes ist und sich einfach zu erkennen gibt. Orestes sagt folglich von sich aus, was der Dichter für die Handlung braucht.
3. Wiedererkennung auf Grund der Erinnerung
Bei dieser Form der Wiedererkennung, löst ein Umstand eine Erinnerung und dadurch eine Emotion beim Protagonisten aus. Als Beispiel nennt Aristoteles unter anderen Odysseus, welcher zu Weinen beginnt, nachdem er ein Heldenlied über seine Taten bei der Schlacht zu Troja hört. Daraufhin fragt ihn der Rhapsode, wer er sei.
4. Wiedererkennung durch Schlussfolgerung oder Fehlschluss
Schlussfolgerung: Die Figuren leiten aus Zeichen, welche sie finden, logische Ereignisse ab. Als ein Beispiel wird Elektra genannt, welche auf dem Grab ihres Vaters eine Haarlocke findet, die ihrem eigenen Haar ähnelt. Da sie aber keine solche Locke dorthin tat, schlussfolgert sie, dass ihr Bruder Orestes zurückgekehrt ist, denn er hat ähnliches Haar wie sie.
Fehlschluss: Odysseus ist der Einzige, der seinen Bogen spannen kann. Diese Voraussetzung etabliert der Dichter. Doch selbst als Odysseus sagt, er werde «den Bogen» also seinen Bogen erkennen, ohne ihn gesehen zu haben, verrät er dabei nicht, wer er wirklich ist.
Die beste Variante der Wiedererkennung ist jene, welche sich aus den Geschehnissen selbst ergibt. Jene die in der Überraschung aus Wahrscheinlichem hervorgeht. Als Beispiel nennt Aristoteles die Iphigenie, bei der es Wahrscheinlich ist, dass sie den Fremden einen Brief zu übergeben wünscht, welche diese ihrer Familie übergeben sollen.
Als zweitbeste Variante nennt Aristoteles die Wiedererkennung aus den Schlussfolgerungen.
Kapitel 17: Schlüssigkeit der Handlung
Die Handlung in einer Tragödie muss aufgehen, sonst nimmt das Publikum dies übel.
Schauspieler seien dann gut, wenn sie entweder wandlungsfähig oder stark erregbar seien.
Stoffe Bearbeiten
Der erste Schritt nach Aristoteles ist es, die Handlung erst einmal allgemein zu skizzieren: Handlung ohne Namen zusammenfassen (Fabel). Beispiel: Iphigenie auf Tauris
Der zweite Schritt nach Aristoteles ist es, die Handlung szenisch auszuarbeiten: Namen einsetzen und das Werk szenisch ausarbeiten. Szenen müssen auf Figuren/Personen zugeschnitten sein.
Beispiel: Orestes Wahnsinnsanfall und Reinigung davon, was beides von Iphigenie in Szene gesetzt wurde, um die Flucht von ihr und ihrem Bruder zu ermöglichen.
Kapitel 18: Die Arten der Tragödie
Jede Tragödie besteht aus Verknüpfung und Lösung. Verknüpfung beinhaltet, so Aristoteles, die Vorgeschichte und den einen (ersten) Teil der Bühnenhandlung. Unter dem ersten Teil versteht Aristoteles von Anfang bis kurz vor der Wende (Glücksumschwung).
Unter der Lösung versteht Aristoteles den Rest der Handlung. Also vom Anfang der Wende bis hin zum Schluss.
Es gibt vier Arten von Tragödien
- Die Komplizierte: Die aus Peripetie und Wiedererkennung besteht
- Die mit schwerem Leid erfüllte: Beispiele sind; Aias- & Ixion-Tragödien (keine erhalten)
- Die Charakter darstellt: Beispiel; «Peleus» ein Stück von Sophokles (weiss man sehr wenig darüber)
- Unterwelttragödien: War anscheinend ein eigenes Genre von dem kein Paradigma (Muster, Stück) erhalten blieb. Beispiel: «Phorkides» Satyrspiel von Aischylos
Der Tragödiendichter muss alle (qualitativen) Teile zu handhaben verstehen, egal zu welcher Art sein Stück gehört.
Man soll nur Stücke vergleichen, die derselben Art angehören. Viele Dichter würden die Problematik (Knoten) gut aufbauen, aber schlecht auflösen. Es sollten aber beide Aspekte übereinstimmend vorhanden sein.
Epische Handlungsgefüge dürfen nicht zu Tragödien gemacht werden, dazu darf nur die Haupthandlung (evtl. ähnlich dem Fabelbeispiel Iphigenies) verwendet werden. Hier meint Aristoteles, dass alle Episoden zusammen, nicht für eine Tragödie geeignet sind. Die Episoden seien für einen Epos richtig lang, aber epische Handlungsvielfalt habe in Dramen (Tragödien) keinen Platz.
Einen Beweis dafür findet Aristoteles darin, dass jene Dichter, welche versuchten ganze Epen in Tragödien zu verwandeln, bei den Wettbewerben gescheitert sind. Stücke, welche eine epische Handlungsvielfalt meiden und sich auf einfache Ereignisfolgen beschränken seien in erheblichem Masse erfolgreicher, da sie das tragische und menschenfreundliche erreichen (Jammer und Schauder).
Dies wird zum Beispiel bewirkt, wenn jemand der klug, aber schlecht ist, betrogen wird. Ein Beispiel dafür wäre Sisyphos. Als zweites Beispiel nennt Aristoteles eine Figur die Tapfer aber ungerecht ist und unterliegt.
Der Chor muss gleich stark ins Stück miteinbezogen werden, wie dies die Schauspielenden werden. Er muss Teil des Ganzen sein und an der Handlung beteiligt sein, wie dies Sophokles tat.
Kapitel 19: Geschehnisse einer Tragödie
Die Gedankenführung gehört nach Aristoteles in die Rhetorik. Zu ihr gehört aber, was mit Hilfe von Worten entstehen soll. Dazu gehört das Hervorrufen von Erregungszuständen und das Verfahren einem Gegenstand grössere oder geringere Bedeutung zu verleihen.
Dasselbe Verfahren gilt für die Geschehnisse einer Tragödie. Vor allem wenn es darum geht, dass die Geschehnisse als emotional, gross oder wahrscheinlich dargestellt werden. Dabei gibt es zwei Arten von Geschehnissen zum einen jene, welche ohne lenkende Hinweise passieren müssen und jene, welche durch die Rede erzeugt werden.
Die sprachliche Form gehört, nach Aristoteles, nicht zur Dichtkunst, weil die Intonation (Art und Weise der Aussage) die Gefühle einer Rede hervorruft. Nicht die Art und Weise, wie eine Text geschrieben sei.
Kapitel 20: Analyse der Sprache
Sprache gliedert sich in folgende Elemente: Buchstabe, Silbe, Konjunktion, Artikel, Nomen, Verb, Kasus, Satz.
Definition von Buchstaben: Unteilbarer Laut, aus dem sich eine Silbe oder ein Wort bilden lässt.
Arten von Buchstaben: Vokal, Halbvokal, Konsonant
Vokal: Einen hörbaren Laut, welcher sich ohne Gegenwirkung von Zunge oder Lippen ergibt. (Ich nehme an A, E, I, O, U)
Halbvokal: Einen hörbaren Laut, welcher sich mit der Gegenwirkung von Zunge oder Lippen ergibt. Beispiel: S & R
Konsonant: Keinen hörbaren Laut, welcher sich mit der Gegenwirkung von Zunge oder Lippen ergibt. Diese Laute sind in Verbindung mit Buchstaben hörbar. Beispiel: G & D
Silbe: Laut ohne Bedeutung, zusammengesetzt aus Konsonanten und Buchstaben sowohl GR als auch GRA. (Aristoteles definiert Silben anders als wir dies tun.)
Konjunktion: Laut ohne Bedeutung, kann an den Anfang, das Ende oder in die Mitte eines Satzes gestellt werden. Es kann aber auch ein Laut ohne Bedeutung sein, der aus zwei bedeutungshaften Lauten einen einzigen bedeutungshaften laut herstellt. Beispiel: amphi, peri
Artikel: (das habe ich leider nicht verstanden)
Nomen: Zusammengesetzter, bedeutungshafter Laut ohne Zeitbestimmung, von dem kein Teil an sich eine Bedeutung hat.
Beispiel: Theodoros als Name beinhaltet «doron» was Geschenk bedeutet, aber im Wort Theodoros keine Bedeutung hat.
Verb: Zusammengesetzter, bedeutungshafter Laut mit Zeitbestimmung, von dem kein Teil für sich etwas bedeutet.
Beispiel: «Er geht», «Er ist gegangen»
Kasus: findet sich beim Nomen oder beim Verb.
Beispiele: Bezeichnet Beziehungen (dieses, diesem), bezeichnet Einheit und Vielheit (Mensch, Menschen), bezeichnet Frage und Gebot (Ging er?, geh!),
Der Kasus umfasst bei Aristoteles sämtliche Flexionsformen.
Satz: Zusammengesetzter, bedeutungshafter Laut von dem einige Teile an sich etwas bedeuten. Ein Satz hat zwei Bedeutungsebenen, da er entweder einen Gegenstand bezeichnet oder aus Verknüpfungen mehrerer Teile besteht.
Beispiel: «Ilias» ist durch Verknüpfung eine Einheit. Dies umfasst Texte, deren Elemente durch Paratexte miteinander verknüpft sind.
Kapitel 21: Die Kategorien der Worte
Es gibt einfache Worte und zweifache Worte. Die zweifachen Worte sind aus einem bedeutungshaften Teil und aus einem Teil ohne Bedeutung. Es gibt aber auch Wörter, welche aus vielen Teilen bestehen. Der bedeutungshafte Teil beinhaltet die Substantive und der bedeutungslose Teil beinhaltet die Präpositionen.
Kategorien der Worte nach Aristoteles:
Üblicher Ausdruck: jeder gebraucht das Wort (Kulturübergreifend)
Glosse: andere gebrauchen das Wort
Dasselbe Wort kann sowohl einen üblichen Ausdruck als auch eine Glosse sein. Aber nicht in derselben Kultur, da dort Unterschiede bestehen.
Metapher: Übertragung eines Wortes (wird in uneigentlicher Bedeutung verwendet)
- Gattung auf Art = Mein Schiff steht still. (Meint: vor Anker liegend)
- Art auf die Gattung = wahrhaftig 10’000 gute Dinge hat Odysseus schon vollbracht. (10’000 steht für «viele»)
- Von einer Art auf die andere = Bildliche Veränderungen, anstelle von abschneidend wird abschöpfend verwendet.
- Regeln der Analogie = Das Alter steht zum Leben wie der Abend zum Tag. Daraus folgt: Abend des Lebens, Lebensabend.
Ausserdem besteht eine Analogie zwischen dem 2 Punkt zum 1 Punkt und zwischen dem 4 Punkt zum 3 Punkt.
Neubildung: Wortneuschöpfung des Dichters. Das Wort wird im Text des Dichters zum ersten Mal verwendet.
Erweiterung: Längerer Vokal als üblich oder eine eingeschobene Silbe.
Verkürzung: Wenn etwas vom Wort weggenommen wird.
Nomina sind männlich oder weiblich und die dritten stehen zwischen beidem. (bei uns heute: sächlich)
Im griechischen verhält sich dies nach Aristoteles wie folgt:
Männlich: Worte enden auf N, R, S und PS, X
Weiblich: Worte enden auf lange Vokale E & O und den kurzen oder langen Vokal A
Kein Nomen endet auf einen Konsonanten und auch nicht auf einen kurzen Vokal. Auf I enden nur drei Worte nämlich meli, kommi, péperi und auf Y enden nur 5 Worte. Die sächlichen Nomina (Nomen) enden auf N und S.
Kapitel 22: Verwendung der Sprache
Vollkommene Sprache ist für Aristoteles eine klare Sprache, welche aber nicht banal ist. Die klarste sprachliche Form wäre die reine Verwendung von üblichen Worten, was aber den Text banal machen würde. Eine sprachliche Form ist dann erhaben, wenn fremdartige Ausdrücke verwendet werden. Unter fremdartigen Ausdrücken versteht Aristoteles die Glosse, die Metapher, die Erweiterung und alle unüblichen Ausdrücke.
Wenn nur unübliche Ausdrücke in einem Text verwendet würden, wäre das Ergebnis ein Rätsel oder ein Barbarismus. (Also ein Text, bei dem man den Kontext erraten muss oder unleserlich ist.) Wenn Metaphern verwendet werden wird der Text zum Rätsel. Wenn Glossen verwendet werden wird er zum Barbarismus. Die unterschiedlichen Arten von Worten müssen gemischt werden, damit ein guter Text entsteht. Folgende Bezeichnungen machen einen Text nach Aristoteles wertvoll: Die Metapher und das Schmuckwort.
Erweiterungen, Verkürzungen und Abwandlungen tragen sowohl zur Klarheit als auch zur Ungewöhnlichkeit eines Textes bei. Denn diese Arten von Worten stehen dem Gewohnten nahe und schaffen Klarheit, sind aber dennoch etwas anders als die üblichen Ausdrücke. Allgemein muss ein Text massvoll und mit passenden Worten gestaltet werden.
Dabei sind die Metaphern nach Aristoteles am wichtigsten, denn in diesen kann ein Dichter nur durch Begabung gut sein. Erlernen kann er sie nicht. Eine gute Verwendung von Metaphern zeugt davon, dass ein Dichter Ähnlichkeiten zu erkennen vermag.
Zweifache Wörter ordnet Aristoteles dem Dithyrambus zu. Die Glossen ordnet er als heroisch ein, was ein daktylischer Hexameter bedeutet. Im daktylischen Hexameter sind alle behandelten Wortarten verwendbar. Die Metapher gehört nach Aristoteles zu den jambischen Versen, was soviel wie den Dialog im Drama bedeutet. Da jambische Verse die Umgangssprache nachahmen, sind sämtliche Alltagsworte angebracht. Diese beinhalten die üblichen Ausdrücke, die Metapher und die Schmuckworte. Abschliessend findet Aristoteles, dass er nun genügend über die Tragödie und die Nachahmung durch Handlung gesagt hätte.
Kapitel 23: Gutes versus schlechtes Epos
Was das Epos angeht, so muss man dessen Fabel wie in der Tragödie so zusammenfügen, dass sie dramatisch ist und auf eine einzige, in sich geschlossene, Handlung mit Anfang, Mitte und Ende bezieht.
Das Epos ist im Gegensatz zur Tragödie ausgedehnter und ahmt durch Erzählen, nicht Handeln, nach. Sie beinhaltet nur Verse ohne Melodik und verwendet nur ein Versmass (oft Jambus). Es wird vermutet, dass das Vergnügen eines Epos ähnlich dem der Tragödie durch Jammer und Schauder erzeugt wird.
Homer ist nach Aristoteles ein grossartiger Dichter, weil er Kriegsgeschehnisse in epischen Episoden erzählt und dadurch die Handlung übersichtlich gestaltet. Dabei hat er den «ganzen Krieg» (Die Ilias stellt 51 Tage aus dem letzten Jahr des trojanischen Krieges dar) in Abschnitte unterteilt, welche auch Nebenhandlungen behandeln. Allerdings sind diese Abschnitte, welche Episoden genannt werden, nicht in sich geschlossen und entsprechen deshalb nicht dem Verständnis des heutigen Episodenbegriffs.
Aus einem guten Epos können eine bis maximal zwei Tragödien abgeleitet werden. Aus einem schlechten Epos können unzählige Tragödien abgeleitet werden.
Kapitel 24: Homer als Maßstab
Das Epos verhält sich in Einfachheit, Kompliziertheit, in Bezug auf Charakterdarstellung und schwerem Leid wie die Tragödie. Die qualitativen Teile von einem Epos sind dieselben wie bei der Tragödie. Ausgenommen davon sind lediglich die Melodik und die Inszenierung. Das Epos braucht, wie die Tragödie, Peripetien, Wiedererkennung, schwere Unglücksfälle. Zusätzlich benötigt das Epos aber auch eine gute Beschaffenheit von Gedankenführung und Sprache.
Die Paare «einfach – kompliziert» und «Charakter – schweres Leid» können kombiniert werden. Als Beispiel gibt Aristoteles folgende an:
Ilias: einfach und schweres Leid
Odyssee: kompliziert und Charakter
Homer übertrifft nach Aristoteles alle anderen Dichter in Sprache und Gedankenführung. Am Epos findet er dessen Fähigkeit Handlung auszudehnen, dem Lesenden Abwechslung zu bieten und verschiedenartige Episoden einzubinden, grossartig. Aristoteles findet, dass ein Epos dadurch Grossartigkeit erlangt. Dies im Gegensatz zur Tragödie, welche in ihrer Gleichförmigkeit rasch zur Übersättigung des Publikums führt und deshalb kurzgehalten werden muss, beziehungsweise in den Wettbewerben wegen ihrer Länge oft durchfallen.
Der Jambus und der Tetrameter sind bewegte Masse, der Tetrameter für den Tanz und der Jambus für die Handlung. Das heroische Versmass ist am besten für handelnde Erzählung, damit ist erneut der daktylische Hexameter gemeint.
Homer sei auch deshalb ein grosser Dichter, weil er viel direkte Rede verwende. Dies im Gegensatz zu den anderen Dichtern. Das Wunderbare im Epos bereitet Vergnügen (dachte jammern und schauern, aber vielleicht geht beides), Aristoteles’ Beweis dafür ist, dass jedermann in den Erzählungen übertreibt, in der Annahme dem Zuhörenden einen Gefallen zu tun.
Homer sei auch sehr gut mit Täuschungen und Fehlschlüssen umgegangen. Das unmögliche, was Wahrscheinlich ist, soll dem Möglichen das unglaubwürdig ist vorgezogen werden. Die Fabel muss in sich aufgehen, wenn diese nicht aufgeht sollen Ungereimtheiten nur in der Nebenhandlung stattfinden. Wenn ein Dichter trotzdem Ungereimtheiten in die Fabel einbaut, dann bitte einigermassen glaubwürdig.
Aristoteles bemerkt auch, dass Homer in der Odyssee unglaubwürdig erzählt, dies aber mit sonstiger guter Qualität kaschieren kann. Sprache sei besonders wichtig bei Abschnitten, die ohne Handlung sind und weder Charaktere noch eine Gedankenführung enthalten.
Kapitel 25: Unterschiedliche Lösungsansätze für Probleme in der Dichtkunst
Fehler Homers werden durch Kriterien von Aristoteles gerechtfertigt. Es macht den Anschein, als würde er diese schönreden.
Die Homerprobleme werden durch folgende Ansätze gelöst
- Prüfung der Darstellungsabsicht
- Rekurs auf rein sprachliche Gesichtspunkte
- Argumentation, welche Fehler sich aus ästhetischer Sicht als unerheblich erweisen
Ein Dichter erzählt in vier Arten von Dingen: wie sie waren oder sind, wie sie seien, wie sie zu sein scheinen oder wie sie sein sollten. Zusammengefasst, aus der Vergangenheit, der Gegenwart, der Zukunft oder aus der Fantasie.
Die Richtigkeit kann in der Dichtkunst variieren. Dies im Gegensatz zur Staatskunst. Wenn ein Dichter wissentlich falsch erzählt, ist es ein Fehler. Wenn er dies im Unwissen tut, ist es kein Fehler.
Die Darstellung des Textes, die dazugehörige Haltung, die Gestik sowie die Art der Rede sind ebenfalls zu berücksichtigen, wenn es um Ungereimtheiten geht.
Folgende Lösungsansätze beschreibt Aristoteles für die Sprache
- Betonung und Pausen
- Doppeldeutigkeit
- Sprachgebrauch
- Metaphern
Anzahl der Bedeutungen, welche Worte haben, müssen geprüft werden. Aristoteles löst viele Probleme durch schönredende Argumentation. Erneut muss das Unmögliche, was glaubwürdig ist, das Mögliche was unglaubwürdig ist übertreffen. Das Beispielhafte muss die Wirklichkeit übertreffen.
Man kann ferner zeigen, dass das Ungereimte bisweilen nicht ungereimt ist, es ist ja wahrscheinlich, dass sich manches gegen die Wahrscheinlichkeit abspielt. Der Vorwurf der Ungereimtheit ist berechtigt, wenn der Dichter ohne zwingenden Grund davon Gebrauch macht.
Fünf Kategorien der Vorwürfe
- Das etwas unmöglich sei
- Das etwas ungereimt sei
- Das etwas sittlich schlecht sei
- Das etwas widersinnig sei
- Das etwas den Erfordernissen einer Disziplin (Tragödie oder Epos) entgegengesetzt sei
Kapitel 26: Die Tragödie gewinnt
Man kann die Frage stellen, welche Art der Nachahmung die bessere sei, die Epische oder die Tragische. Konservative Adelskreise geben dem Epos den Vorrang. Nach diesen Kreisen wendet sich das Epos an ein gebildetes Publikum und die Tragödie an ein ungebildetes Publikum.
Aristoteles argumentiert mit folgenden Punkten für die Tragödie
- Die Tragödie wirkt auch durch die blosse Lektüre davon
- Die Tragödie enthält alles, was das Epos enthält
- Das Merkmal der Eindringlichkeit ist bei der Tragödie durch Lektüre und Aufführung gegeben
- Die straffere Handlung in der Tragödie erreicht auch ihr Ziel der Nachahmung
- Die Tragödie bildet eine eindeutige Einheit
Die Tragödie ist, nach Aristoteles, dem Epos überlegen, da sie die Wirkung von Jammer & Schauder effizienter erreicht. Dies, weil die Affekte auch beim Lesen der Tragödie hervorgerufen werden. Da Tragödien aber kürzer sind als Epen, tritt die Reinigung der Emotionen schneller ein. Mit diesem Fazit schliesst Aristoteles seine Erläuterungen zur Poetik.
Wie hat dir die Poetik von Aristoteles gefallen? Welche Punkte haben dich besonders inspiriert?
Bist du mit allen Punkten einverstanden oder findest du einige sind einfach nur überholt und veraltet?
Ich freue mich sehr auf deine Anmerkungen.
Beste Grüsse,
Isabel