Erfahrungen

Hier teile ich mit dir meine Erfahrungen, von denen ich denke, dass sie dir helfen könnten.

phonetische Markierung

Bühnendeutsch lernen: ein Erfahrungsbericht

phonetische Markierung

Mein Schauspielkollege Uwe Peter holt nach vielen Jahren Berufspraxis seinen Abschluss in Schauspiel an der Film Schauspielschule Zürich (FilmZ) nach. Wenn alles gut geht, hat er im nächsten Oktober ein Schauspieldiplom in der Hand. Die grösste Herausforderung stellt allerdings die Sprache dar. Bühnendeutsch zu lernen erfordert viel Einsatz und Geduld. Warum erfährst du in diesem Interview.

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Autorin: Isabel Sulger Büel, veröffentlicht: 16. April 2021,  letzte Aktualisierung: 7. Juli 2023.

1. Uwe du bist jetzt seit Oktober 2020 an der Film Schauspielschule Zürich (FilmZ) im Schauspielunterricht. Wie viele Monate übst du nun Bühnendeutsch? Und wie viele Stunden pro Woche in etwa?

Ich übe täglich mit verschiedenen Übungen, sei es mit der Methode der Überartikulation, oder vor dem Spiegel, um nicht zu sehr in die Breite zu sprechen, sondern eher eine Schnute zu machen, oder generell mit den Lippen nach vorne zu sprechen.

Ausserdem habe ich mir Übungen aus dem Buch «Sprechtechnisches Übungsbuch» fotografiert, um mit ihnen zu arbeiten.

Am meisten hat mich bisher das Thema von «E/Ä» beschäftigt und das klappt schon viel besser als zu Beginn.

Ausserdem übe ich über das Gehör, indem ich auf Google mir die Worte vorsprechen lasse.

Was auch eine super Übung ist, ist dass ich mir die Lautschrift über die Worte oder einzelnen Buchstaben schreibe, und so auf dem ersten Blick sehe, ob es sich um ein offenes langes E oder ein kurz gesprochenes E handelt.

2. Was macht dir am meisten Spass daran Bühnendeutsch zu lernen?

Am meisten Spass macht mir, dass man auf diese Weise eine neue Art des Sprechens lernt und man von allen verstanden wird, da es hilft die Deutlichkeit und die Artikulation der Sprache zu verbessern.

Man kann durch die Methodenkompetenz, welche man sich in diesem Lernprozess aneignet, die Sprache verschiedener Figuren noch besser gestalten und mit der Sprache noch besser spielen und dadurch verändern.

3. Was bereitet dir am meisten Mühe am Erlernen von Bühnendeutsch?

Die phonetischen Regeln und die Zungenbeweglichkeit. Zu lernen, wie die Zunge bewegt werden muss damit man den richtigen Laut ausspricht und wie man die richtige Kombination von Bewegungen ausübt und damit die korrekte Aussprache kriegt.

4. Wie hast du dich mit der phonetischen Schrift auseinandergesetzt?

Ich habe in den bisherigen schauspielerischen Ausbildungen nie etwas von Phonetik, oder phonetischer Schrift gehört deshalb war das für mich etwas komplett Neues. Ich habe bis jetzt nicht die alle phonetischen Zeichen auswendig gelernt, aber ich habe einen Spick, um meine Texte mit ihnen zu beschriften, falls dies nötig ist. Diesen Spick habe ich auch, damit ich mich mit ihnen beschäftige und damit das Wort, durch seine Hilfe, von mir korrekt ausgesprochen wird.

5. Hast du irgendwelche Tipps und Tricks, welche du unserer Lesendenschaft weitergeben kannst?

Vor dem Spiegel üben und sich selbst und vor allem die eigenen Mundbewegungen und Lippenbewegungen beobachten. Um die Aussprache zu üben höre ich mir die Aussprache der Worte im Internet an. Dabei suche ich auf Google nach dem Wort und Aussprache.

6. Von deinem kulturellen Hintergrund hergesehen, ist Deutsch deine Muttersprache. Warum musst du nochmal Deutsch lernen?

Deutsch als Muttersprache ist nicht dasselbe wie Bühnendeutsch. Durch die Prägungen meines Elternhauses und meiner Umgebung, welche «Schweizerdeutsch» spricht, also einen Schweizer Dialekt, hat meine Aussprache eine dialektale Einfärbung erhalten. Im privaten Gebrauch spricht man meistens nicht Bühnendeutsch, sondern spricht in seinem Dialekt. Wenn man nun als schauspielende Person im privaten Rahmen spricht, also mit seiner Familie oder seinen Freunden, fällt man gerne in seinen angestammten Dialekt zurück.

7. Wozu brauchen Schauspieler*innen und Schauspieler Bühnendeutsch?

Man braucht es, weil es die Standardsprache der Bühnenschauspielenden ist. Dabei hilft es uns Schauspielenden in unsere Figuren und Charaktere zu schlüpfen und dadurch auch eine andere Aussprache oder Sprechart annehmen zu können, sollte mal etwas anderes als Bühnendeutsch gefragt sein. Man kann die Stimme viel mehr modulieren, bearbeiten, verstellen und man spricht deutlicher.

Bei einem Filmschauspielenden sieht das nochmals ganz anders aus. Es ist wichtig das auch Filmschauspielende eine gute Aussprache haben, aber dort sind öfters dialektale Einfärbungen gefragt oder teilweise sogar gewünscht.

8. Welches Ziel hast du dir gesetzt? Was willst du in Bezug auf die Sprache und Aussprache bis zu deinem Abschluss erreichen?

Mein Ziel ist es Bühnendeutsch so gut zu beherrschen das ich Texte korrekt sprechen kann. Weiter ist es mein Ziel, dass ich die Phonetik-Regeln so beherrsche, dass ich sie auf neue Texte anwenden kann und diese mit der Hilfe der Phonetik-Regeln erarbeiten kann.

Ausserdem habe ich als Abschlussprüfung die Aufgabe einen 40-minütiges Textprogramm zusammenzustellen, welches ich natürlich mit einwandfreiem Bühnendeutsch präsentieren möchte und soll. Dies dann auch mit Texten aus verschiedenen Epochen, welche alle natürlich klingen und sinngemäss interpretiert werden sollen, egal wie kompliziert und komplex die Texte geschrieben sind.

Dann möchte ich deutlicher sprechen, korrekt sprechen und beim Theaterspielen zwischen Bühnendeutsch und dialektalen Einfärbungen wechseln können.

9. Glaubst du mit dem Beherrschen von Bühnendeutsch Vorteile im Arbeitsmarkt zu haben?

Auf jeden Fall, gerade an staatlichen Theaterhäusern ist Bühnendeutsch erwünscht und eine Fertigkeit, welche man beherrschen muss. Wie ich oben schon betont habe fällt mir immer mehr auf, dass man die Schauspielenden und Darstellenden in Kinofilmen oder im Fernsehen nicht mehr gut versteht da die Sprache nur noch so dahin «geschludert» wird und kein grosses Augenmerk mehr auf die Aussprache gelegt wird. Im Film sind Dialekte immer mehr erwünscht, weil durch die dialektalen Färbungen die Szenen «authentischer» wirken.

Mir liegt die deutsche Sprache am Herzen und ich weiss, dass im Deutschenschauspielmarkt egal ob dies im Fernsehen, Filmgeschäft oder auf der Bühne ist, Bühnendeutsch immer noch sehr hoch gewertet und eine sehr wichtige Fertigkeit ist, um Vorteile auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

Klar, es ist auch wichtig, um sich selbst besser verkaufen zu können, weil man eine zielsichere und überzeugende Bewerbung einreichen kann und es einem hilft, um überhaupt für ein Casting oder Vorsprechen eingeladen zu werden.

 

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5 Aufwärmübungen vor Aufführungen

5 Aufwärmübungen vor Aufführungen

Wenn ich mich vor eine Aufführung aufwärme und meinen Körper und meinen Geist darauf einstimme, spiele ich viel besser Theater, als wenn ich kalt auf die Bühne gehe. Deshalb teile ich mit dir meine fünf liebsten Aufwärmübungen, mit denen ich mich auf die Bühne vorbereite. Sie bereiten deinen Körper, deine Stimme und deine Emotionen für den bevorstehenden Auftritt vor.

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Autorin: Isabel Sulger Büel, veröffentlicht: 23. März 2021.

1. Ausklopfen

Alleine macht diese Übung weniger Spass als zu zweit. Zu zweit beugt sich der zu ausklopfende vorn über und der klopfende klopft erst sanft den Rücken neben der Wirbelsäule ab. Dann die Arme und Hände, später die Beine. Wenn man mag, kann man noch die Schultern und den Nacken massieren. Wenn ausgeklopft ist, werden alle Körperteile in derselben Reihenfolge ausgestrichen.

Dann läuft der klopfende langsam Wirbel für Wirbel vom Gesäss her die Wirbelsäule hoch und der ausgeklopfte richtet sich sehr bewusst Wirbel für Wirbel wieder auf. Danach fühlt man sich meistens sehr viel leichter, energetisch und wach. Im besten Fall etwas schwebend. Damit der ausgeklopfte wieder Bodenhaftung kriegt, stützt sich der ausklopfende mit den Händen in der Yoga-Pose des herabschauenden Hundes auf die Füsse des ausklopfenden und sagt: «Kamelfüsse». Ich mag Kamele nicht so sehr, deshalb sage ich Elefantenfüsse.

Danach werden die Positionen gewechselt und der ausklopfende wird ausgeklopft. Diese Übung führe ich an einem bestimmten Punkt immer ein, wenn ich Regie führe und die Schauspielenden mögen diese Übung sehr, weil sie löst und erdet. Deshalb fühlen sie ich oft weniger nervös, bevor sie auf die Bühne gehen und spielen entspannter.

2. Lax Vox

Diese Übung habe ich schon in meinem Artikel über die «nützlichsten 55 Dinge für Proben und Aufführungen» geschrieben. Lax Vox ist meine liebste Art meine Stimme auf eine Aufführung vorzubereiten. Dabei benutze ich einen Lax Vox Schlauch und eine Flasche aus Pet, welche etwas mit Wasser gefüllt ist.

Dann nimmt man den Schlauch in den Mund, und bläst mit entspannten backen hinein. Dabei singt man verschiedene Gesangsübungen. Das coole ist, dass man dabei die Stimmbänder aufwärmt und gleichzeitig entspannt, man kann Lax Vox also auch gut nach einer Aufführung benutzen. Während der Übung wärmt man zwar die Stimme auf, aber man beschädigt nichts und die Stimme ist oft besser aufgewärmt als mit herkömmlichen Methoden.

3. Franklin Bälle

Im Method Acting Kurs von Herbert Fischer haben wir etwa dreiviertel der Zeit unseren Körper entspannt. Deshalb massiere ich meine verspannten Körperstellen vor einer Aufführung, um diese zu entspannen. Üblicherweise lege ich mich mit dem Rücken auf den Boden und entspanne meinen Rücken, weil dieser oft am meisten verspannt ist. Dabei lege ich oft einen Ball unter meine Schulter und atme dann in den Schmerz.



Danach lege ich einen solchen Ball oft unter meine Hüfte und atme ebenfalls bewusst dahin, bis sich meine unteren Rückenmuskeln entspannt haben. Zuletzt massiere ich meine Fusssohlen mit dem Ball, weil viele Nervenenden in die Füsse gehen und dann gleich der ganze Körper entspannt und aufgewärmt ist. 



Du kannst mit Franklin Bällen massieren und entspannen, wie du dich gerade lustig fühlst. Dein Körper wird dir schon sagen, was er gerade an Entspannung braucht. Mir hilft dieses Aufwärmen oft, um durchlässiger und damit authentischer auf der Bühne zu sein.

4. Die Stimme mit Sprüchen aufwärmen

Um mich einfach klassischer Weise einzusingen, verwende ich oft ein Lied, welches ich in der Schauspielschule gelernt habe. Ich singe es dir in meinem Video zu diesem Blogartikel vor. Der Text geht wie folgt:

«Memmingen, Memmingen, Memmingen, Memmingen, nono, nono, nono, nono, nono, nono, nono, nono, pla, ple, pli, plo, plu.»

Das singe ich einfach in verschiedenen Tonlagen meist von tiefen Tonarten zu höhen Tonarten vor mich hin, um meine Stimme aufzuwärmen. Danach wärme ich meinen Mund mit einer Konsonantenübung weiter auf. Dazu nehme ich irgendeinen Konsonanten und hänge Vokale und Umlaute an diese an. Diese Übung kenne ich ebenfalls aus der Schauspielschule. Sie klingt, mit dem Konsonanten M, wie folgt:

«Ma, Me, Mi, Mo, Mu, Mä, Mö, Mü, Mau, Mei, Meu.»

Im Prinzip kannst du mit dieser Übung da ganze Alphabet durchsprechen, ohne die Vokale versteht sich. Dann habe ich auch meine Zunge, meinen Mund aufgewärmt und kann eine gute Aussprache und Betonung garantieren.

5. Sich das Spiel vorstellen

Wenn es möglich ist, setze ich mich irgendwo hin, wo ich etwas Ruhe haben kann und stelle mir vor, was ich spielen soll und wie ich es spielen will. Diese Übung habe ich ebenfalls in der Schauspielschule gelernt und kommt anscheinend von einem Tänzer, welcher sich jeweils nur vorstellte, wie er tanzen würde, aber seine körperlichen Energien für die Aufführung sparte, statt wie seine Kollegen die Tänze vor der Aufführung nochmals wirklich zu üben.

Während dem ich mir vorstelle, was und wie ich etwas spielen soll und will, gehe ich den Text und die gewünschten Emotionen durch. Dann prüfe ich nochmals meine inneren Bilder, welche die Emotionen auslösen sollen. Manchmal arbeite ich über den Körper, dann stelle ich mir vor, wie die Energie in meinem Körper sich anfühlen muss bzw. mit welchen Bewegungen ich mir selbst helfen kann.

Wenn ich mit dem ganzen Stück durch bin, bin ich bereit auf die Bühne zu gehen.

Vielleicht magst du mir erzählen, wie du dich auf eine Aufführung einstimmst? Kennst du eine Übung, welche so gut ist, dass sie die ganze Welt kennen sollte? Bist du sehr nervös vor einer Aufführung oder ist es sogar ein Anzeiger, dass du bereit bist Theater zu spielen?

Ich freue mich sehr auf deine Erzählungen.

Von Herzen,
Isabel

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Wieviel Schweizer Schauspielende schätzungsweise verdienen

Wieviel Schweizer Schauspielende schätzungsweise verdienen

Wieviel Schweizer Schauspielende schätzungsweise verdienen

Der Schweizer Volksmund sagt, dass Schauspiel ein brotloser Beruf sei. Gleichzeitig sehen wir Stars auf dem roten Teppich und festangestellte Schauspielende an Theaterhäusern. Weiter träumen viele junge Menschen davon diesen Beruf auszuüben. Aus Mangel an Zahlen, stelle ich hier eine erste Abschätzung auf. Im Minimum verdient eine Person, welche durch Aufführungen auf der Bühne ihren Lebensunterhalt verdient schätzungsweise 16.32 CHF brutto pro Stunde. Im Maximum, sofern die Richtgagen ausbezahlt werden, 60.53 CHF brutto pro Stunde.

Für diese Schätzung habe ich das Beispiel mit dem niedrigsten Lohnniveau, welches ich kenne als Grundlage verwendet und alle weiteren Berechnungen mit denselben Voraussetzungen gemacht. Für die Jahreseinkommen habe ich mich am Bundesamt für Statistik orientiert und die Zahlen aus dem Statistischen Lohnrechner 2018 entnommen. Dann habe ich noch berechnet, was ein Schauspieler tatsächlich auf die Stunde verdienen sollte, damit er sich alle Vorsorgebeiträge, Versicherungen und Lebenskosten leisten kann. Dies wären 56.08 CHF auf die Stunde, mit dem eigentlichen Mehrwert, den eine schauspielende Person in die Zusammenarbeit mitbringt, kommen wir auf 80 CHF die Stunde. Wie ich auf die Stundenansätze gekommen bin, erkläre ich dir im Artikel.

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Autorin: Isabel Sulger Büel, veröffentlicht: 22. März 2021.

Berechnung des Verdienstes auf die Stunde

Inhaltsverzeichnis

Die geringste Gage für ein Bühnenprojekt, von welcher ich jemals gehört habe, war 150 CHF pro Probewoche und 140 CHF pro Aufführung. Bei diesem Projekt wurde 4 Wochen an 40 Stunden, 8 Stunden an 5 Tagen, geprobt und danach 40 Aufführungen gespielt. 40 Aufführungen sind viele Aufführungen. Üblicherweise beläuft sich diese auf weniger. Diese 40 Aufführungen wurden, während 5 Monaten von November bis März gespielt und dies mit jeweils 2–3 Aufführungen die Woche. Wir rechnen in unsere Rechnung noch 20 Stunden dafür ein, dass der Text ausserhalb der Proben verinnerlicht werden muss. Allerdings variiert dieser Aufwand stark, je nach dem was für einen Text man verinnerlichen will. Die Spannweite kann sich nach dieser Umfrage, welche ich gerade mache von 5 Stunden bis auf 150 Stunden belaufen.

20 Stunden Textlernen plus 4 Probewochen mal 40 Stunden Proben ergeben 180 Stunden. Dazu kommen die 5 Stunden Anwesenheit bei den 40 Aufführungen, was 200 Stunden sind. Wir haben also ein Total von 380 Stunden Zeitaufwand für diese Produktion.

Dann berechnen wir die Einnahmen für die Proben. Das sind 150 CHF mal 4, da 4 Wochen geprobt werden. Dies ergibt ein Total von 600 CHF.

Dann berechnen wir die Einnahmen für die Aufführungen. Diese sind 140 CHF je Aufführung und insgesamt sind es 40 Aufführungen. 140 CHF mal 40 ergeben 5600 CHF.

Rechnen wir die Proben und Aufführungen zusammen ergeben das 6200 CHF.
Diese 6200 CHF durch die 380 Stunden Zeitaufwand ergeben 16.32 CHF pro Stunde.

Davon sind aber die AHV und BVG Beiträge noch nicht abgezogen. Zwar müssten die Firmen für ihre Schauspielenden BVG bezahlen, wenn diese bei der CAST angemeldet sind, aber unter einem Einkommen von 21’330 CHF ist dies hinfällig. Da die wenigsten darstellenden Künstler bei einem Arbeitgeber diesen Betrag verdienen, bezahlen diese Arbeitgeber ihren Anteil von 6% einfach nicht. Das bedeutet, der Künstler bezahlt volle 12% seines Gehalts selbst in die Pensionskasse ein.

Wir müssen also 5.3% für die Altersvorsorge (AHV) und 12% für die 2. Säule (BVG) vom Bruttoeinkommen abziehen. Dazu berechnen wir die 6200 CHF mal 0.053 (5.3/100), was 328.60 CHF an AHV-Abzügen ergeben. Uns bleiben 5871.40 CHF ohne BVG übrig. Für das BVG nehmen wir erneut unser Bruttoeinkommen von 6200 CHF und rechnen es mal 0.12, was 744 CHF ergibt. Nun rechnen wir die 6200 CHF minus 328.60 CHF und minus 744 CHF, was uns 5127.40 CHF an Einnahmen übriglässt.

Diese 5127.40 CHF an Nettoeinkommen rechnen wir erneut durch unsere 380 Stunden Aufwand und erhalten dann einen Stundenlohn von 13.49 CHF. Es versteht sich, Spesen werden von den Darstellenden selbst getragen, diese Abzüge müsste man noch einrechnen.

Der Minimallohn eines Schauspielenden stellt schätzungsweise 13.49 CHF auf die Stunde dar. Dies ist weniger, als ein ungelernter Studierender mit einem Nebenjob verdient. Der Stundenansatz für Studierende beträgt um die 20 CHF.

2. Freie Szene übliche Ansätze

Ein üblicherer Gagenansatz für ein Bühnenprojekt, sind 150 CHF pro Probewoche und 250 CHF pro Aufführung. Wir berechnen dieselben Voraussetzungen wie zuvor, 4 Wochen Proben an 40 Stunden, was 8 Stunden an jeweils 5 Tagen die Woche bedeuten. Wir nehmen wieder 40 Aufführungen, was viele Aufführungen sind. Diese 40 Aufführungen werden, während 5 Monaten gespielt. Wieder nehmen wir die 20 Stunden zur Verinnerlichung von Text ausserhalb der Proben dazu.

20 Stunden Textlernen plus 4 Probewochen mal 40 Stunden Proben ergeben 180 Stunden. Dazu kommen die 5 Stunden Anwesenheit bei den 40 Aufführungen, was 200 Stunden sind. Wir haben also ein Total von 380 Stunden Zeitaufwand für diese Produktion.

Dann berechnen wir die Einnahmen für die Proben. Das sind 150 CHF mal 4, da 4 Wochen geprobt werden. Dies ergibt ein Total von 600 CHF.

Dann berechnen wir die Einnahmen für die Aufführungen. Diese sind 250 CHF je Aufführung und insgesamt sind es 40 Aufführungen. 250 CHF mal 40 ergeben 10’000 CHF.

Rechnen wir die Proben und Aufführungen zusammen ergeben das 10’600 CHF.
Diese 10’600 CHF durch die 380 Stunden Zeitaufwand ergeben 27.89 CHF pro Stunde.

Nun ziehen wir erneut die 5.3% für die Altersvorsorge (AHV) und 12% für die 2. Säule (BVG) vom Bruttoeinkommen ab. Dazu berechnen wir die 10’600 CHF mal 0.053 (5.3/100), was 561.80 CHF an AHV-Abzügen ergeben. Uns bleiben noch 10’038.20 CHF ohne BVG übrig. Dann berechnen wir von den 10’600 CHF mal 0.012, was 1272 CHF ergibt. Nun rechnen wir die 10’600 CHF minus 561.80 CHF und minus 1272 CHF, was uns 8766.20 CHF an Einnahmen übriglässt.

Diese 8766.20 CHF an Nettoeinkommen rechnen wir erneut durch unsere 380 Stunden Aufwand und erhalten dann einen Nettostundenlohn von 23.07 CHF. Es versteht sich, Spesen werden von den Darstellenden selbst getragen, diese Abzüge müsste man noch einrechnen.

Dieser Ansatz ist etwa auf dem Niveau eines ungelernten Studierenden. Für eine Person mit Matura und einer Fachhochschule oder eine Person mit Lehre und Schauspieldiplom dazu, ist dieser Betrag immer noch wenig.

3. Richtgagen nach tPunkt

Die Richtgagen sehen folgende Beträge für ein Bühnenprojekt vor: 1250 CHF pro Probewoche und 400 CHF bis 500 CHF pro Aufführung. 400 CHF sind für mehrere Aufführungen am selben Ort vorgesehen und 500 CHF sind für einzelne Aufführungen vorgesehen. Für unsere Berechnung nehmen wir den Durchschnitt von 450 CHF. Wir berechnen dieselben Voraussetzungen wie zuvor, 4 Wochen Proben an 40 Stunden, was 8 Stunden an jeweils 5 Tagen die Woche bedeuten. Wir nehmen wieder 40 Aufführungen, was viele Aufführungen sind. Diese 40 Aufführungen werden, während 5 Monaten gespielt. Wieder nehmen wir die 20 Stunden zur Verinnerlichung von Text ausserhalb der Proben dazu.

20 Stunden Textlernen plus 4 Probewochen mal 40 Stunden Proben ergeben 180 Stunden. Dazu kommen die 5 Stunden Anwesenheit bei den 40 Aufführungen, was 200 Stunden sind. Wir haben also ein Total von 380 Stunden Zeitaufwand für diese Produktion.

Dann berechnen wir die Einnahmen für die Proben. Das sind 1250 CHF mal 4, da 4 Wochen geprobt werden. Dies ergibt ein Total von 5000 CHF.

Dann berechnen wir die Einnahmen für die Aufführungen. Diese sind 450 CHF je Aufführung und insgesamt sind es 40 Aufführungen. 450 CHF mal 40 ergeben 18’000 CHF.

Rechnen wir die Proben und Aufführungen zusammen ergeben das 23’000 CHF.
Diese 23’000 CHF durch die 380 Stunden Zeitaufwand ergeben 60.53 CHF pro Stunde.

Nun ziehen wir erneut die 5.3% für die Altersvorsorge (AHV) und 12% für die 2. Säule (BVG) vom Bruttoeinkommen ab. Dazu berechnen wir die 23’000 CHF mal 0.053 (5.3/100), was 1219 CHF an AHV-Abzügen ergeben. Uns bleiben 21’781 CHF ohne BVG-Abzüge übrig. Das Bruttoeinkommen berechnen wir mal 0.12%, was 2760 CHF ergibt. Nun rechnen wir die 23’000 CHF minus 1219 CHF und minus 2760 CHF, was uns 19’021 CHF an Einnahmen übriglässt.

Diese 19’021 CHF an Nettoeinkommen rechnen wir erneut durch unsere 380 Stunden Aufwand und erhalten dann einen Stundenlohn von 50.06 CHF. Es versteht sich, Spesen werden von den Darstellenden selbst getragen, diese Abzüge müsste man noch einrechnen.

Dieser Ansatz ist fair. Er mag auf den ersten Blick als viel erscheinen. Wenn man aber bedenkt, dass Schauspielende damit mehrere Tage über die Runden kommen müssen, weil sie zwischendurch immer mal wieder keine Aufträge haben oder solche Akquirieren müssen, ist ein Stundenansatz von 60.53 CHF nur fair.

4. Lohn in einer Festanstellung

Schauspielende sind an Häusern mit befristeten Verträgen von einem Jahr angestellt. Sie erhalten keine Kündigung in diesem Sinne, sondern werden einfach nicht verlängert. Das bedeutet, sie sind eigentlich nicht richtig festangestellt. Der Mindestansatz ist mehrheitlich ein Monatslohn von 4000 CHF. Wir berechnen den Stundenlohn auf 5 Monate, weil unser Beispielprojekt 5 Monate gedauert hat.

5 Monate beinhalten durchschnittlich 4 Wochen an 40 Arbeitsstunden pro Woche. Unsere Stundenzahl beträgt also 5 Monate mal 4 Wochen mal 40 Arbeitsstunden. Diese Rechnung ergibt ein Total von 800 Stunden. Wir nehmen die 20 Stunden fürs Text verinnerlichen dazu, sind uns aber bewusst, dass Schauspielende an Häusern mehrere Stücke gleichzeitig spielen. Deshalb müssten wir diesen Ansatz eigentlich erhöhen. Unser Total beträgt trotzdem 820 Stunden.

Nun berechnen wir unsere Einnahmen. 5 Monate mal 4000 CHF ergeben 20’000 CHF. Wenn wir nun die 20’000 CHF durch die 820 Stunden rechnen, kommen wir auf einen Stundenlohn von 24.39 CHF.

Die AHV Abzüge betragen weiterhin 5.3%, was einen Betrag von 1060 CHF macht. An dieser Stelle ziehen wir für das BVG nur 6% des AHV Lohnes ab, denn die anderen 6% bezahlt, in dieser Anstellung, der Arbeitgeber. 6% von 20’000 CHF sind 1200 CHF, womit 20’000 CHF minus 1060 CHF und minus 1200 CHF uns 17’740 CHF übriglassen.

Dieser Betrag, also die 17’740 CHF durch 820 Stunden für 5 Monate ergeben einen Nettostundenlohn von 21.63 CHF.

Das ist etwa genau der Stundenansatz eines Studentenjobs. Nur hat ein Angestellter dieses Jobs keine Mehraufwände, wie Textauswendiglernen und muss keine Zusatzstunden für Kostüm- und Make-up-Anprobe aufwenden. Zusätzlich hat er keinen Bachelor- oder Masterdiplom einer Fachhochschule, sondern ist eben noch in Ausbildung.

5. Jahreslohn in einer Festanstellung

Wenn man mit einem Jahreslohn von 4000 CHF ohne 13. Monatslohn rechnet, kommt man auf 48’000 CHF. Die Jahresstundenzahl beträgt 2080 Stunden, wenn man 52 Wochen mal 40 Stunden rechnet. 48’000 CHF durch 2080 Stunden ergeben einen Stundenlohn von 23.08 CHF Brutto.

Wenn man mit einem Jahreslohn von 4000 CHF mit 13. Monatslohn rechnet, kommt man auf 52’000 CHF. Die Jahresstundenzahl beträgt 2080 Stunden, wenn man 52 Wochen mal 40 Stunden rechnet. 52’000 CHF durch 2080 Stunden ergeben einen Stundenlohn von 25.00 CHF Brutto.

Wenn man mit einem Jahreslohn von 5000 CHF ohne 13. Monatslohn rechnet, kommt man auf 60’000 CHF. Die Jahresstundenzahl beträgt 2080 Stunden, wenn man 52 Wochen mal 40 Stunden rechnet. 60’000 CHF durch 2080 Stunden ergeben einen Stundenlohn von 28.85 CHF Brutto.

Wenn man mit einem Jahreslohn von 5000 CHF mit 13. Monatslohn rechnet, kommt man auf 65’000 CHF. Die Jahresstundenzahl beträgt 2080 Stunden, wenn man 52 Wochen mal 40 Stunden rechnet. 65’000 CHF durch 2080 Stunden ergeben einen Stundenlohn von 31.25 CHF Brutto.

Um ehrlich zu sein, verdienen Personen mit nur einer Berufslehre, also ohne Fachhochschule und sechs Jahren Arbeitserfahrung manchmal mehr als das, was eine Schauspielerin oder ein Schauspieler in unseren Schätzungen verdient.

6. Aussagen durch das Bundesamt für Statistik

Beim statistischen Lohnrechner 2018 ist es wichtig ist zu wissen, dass jeweils 50% der Schauspielenden zwischen den angegebenen minimalen und maximalen Beträgen verdienen. Weitere 25% verdienen weniger und weitere 25% verdienen mehr als die verwendeten Zahlen. Dazu kommt, dass in diese Statistik auch Tänzer:innen, Opernsänger:innen und Musicaldarstellende gerechnet werden, die Zahlen also vermischt sind.

Bei einer männlichen Person im 30 Lebensjahr, mit 6 Jahren Berufserfahrung, welche aus der Region Zürich kommt und eine abgeschlossene Berufsbildung als Schauspieler hat, verdient nach dem Bundesamt für Statistik im Maximum 5822 CHF und im Minimum 4399 CHF. Das Maximum 5822 CHF minus das Minimum 4399 CHF ergibt 1423 CHF unterschied. Das Maximum ergibt, mal zwölf gerechnet, einen Jahreslohn von 69’864 CHF und im Minimum ergibt dies einen Jahreslohn von 52’788 CHF. Der Mittelwert liegt bei 5093 CHF, was ein Jahreslohn von 61’116 ergibt.

Dieselben Voraussetzungen, aber mit einem Fachhochschulabschluss ergeben nach Bundesamt ein Einkommen im Maximum von 6657 CHF und im Minimum 5030 CHF. Das Maximum 6657 CHF minus das Minimum 5030 CHF ergibt 1627 CHF unterschied. Das Maximum ergibt, mal zwölf gerechnet, ein Jahreslohn von 79’884 CHF und im Minimum ergibt dies, ebenfalls mal zwölf gerechnet, ein Jahreslohn von 60’360 CHF. Der Mittelwert liegt bei 5823 CHF, was mal zwölf gerechnet einen Jahreslohn von 69’876 CHF ergibt.

Eine weibliche Person im 30 Lebensjahr, mit 6 Jahren Berufserfahrung, welche aus der Region Zürich kommt und eine abgeschlossene Berufsbildung als Schauspielerin hat, verdient nach dem Bundesamt für Statistik im Maximum 5267 CHF und im Minimum 3980 CHF. Das Maximum 5267 CHF minus das Minimum 3980 CHF ergibt 1287 CHF unterschied. Das Maximum ergibt, mal zwölf gerechnet, einen Jahreslohn von 63’204 CHF und im Minimum ergibt dies einen Jahreslohn von 47’760 CHF. Der Mittelwert liegt bei 4608 CHF monatlich, was ein Jahreslohn von 55’296 ergibt.

Dieselben Voraussetzungen, aber mit einem Fachhochschulabschluss ergeben nach Bundesamt ein monatliches Einkommen im Maximum von 6023 CHF und im Minimum 4550 CHF. Das Maximum 6023 CHF minus das Minimum 4550 CHF ergibt 1473 CHF unterschied. Das Maximum ergibt, mal zwölf gerechnet, ein Jahreslohn von 72’276 CHF und im Minimum ergibt dies, ebenfalls mal zwölf gerechnet, ein Jahreslohn von 54’600 CHF. Der Mittelwert liegt bei 5269 CHF, was mal zwölf gerechnet einen Jahreslohn von 63’228 CHF ergibt.

Darstellende Künstler:innen mit Fachhochschulabschluss verdienen also durchschnittlich mehr, als solche mit einer abgeschlossenen Berufsbildung. Für mich fallen unter abgeschlossene Berufsbildung die privaten Ausbildungsstätten. Nur schon das höhere Gehalt sollte eine Motivation darstellen, nach Möglichkeit eine staatliche Institution zu besuchen. Von den hohen Kosten für private Ausbildungsstätten einmal abgesehen.

Wer immer diese Saläre verdient, ich würde sie gerne kennenlernen, denn ich habe sicherlich noch nie mehr als knapp 20’000 CHF in dieser Branche pro Jahr verdient. Dazu kommt, dass meine Hochrechnung ein Maximum von 40’000 CHF war und dass wenn es ganz gut läuft ich 45’000 CHF im Jahr verdienen könnte. Diese Hochrechnung würde allerdings vier Regieanstellungen bei Amateurtheatern für 10’000 CHF pro Jahr beinhalteten. Ich würde mein Haupteinkommen als Regisseurin, nicht Schauspielerin verdienen und daneben noch als Schauspielerin tätig sein.

Meine Weiterbildungen (BMS, Matura, Studium) und seit neustem die Covid-19 Pandemie stehen diesem Vorhaben leider etwas im Weg. Vielleicht kann ich anders darüber berichten, wenn ich mit dem Studium fertig bin. Es ist mir sehr bewusst, dass ich mich zurzeit in der untersten Liga der darstellenden Künste bewege.

7. Die Diskrepanz ist in diesem Beruf grösser

Diese Berechnung mache ich aus Sicht des weiblichen Geschlechts, weil Frauen noch immer mehr Mühe haben sich gut zu verkaufen und zu verhandeln. Dabei sei aber gleich angemerkt, dass die grösste Diskrepanz zwischen dem maximalen und dem minimalen Einkommen bei den Schweizer Schauspielern, also den Männern mit Fachhochschulabschluss liegt. Sie beträgt eine monatliche Summe von 1627 CHF. Das minimale Einkommen beläuft sich nach Bundesamt für Statistik auf 5030 CHF und das maximale Einkommen auf 6657 CHF. Diese Diskrepanz mal zwölf gerechnet macht einen Unterschied von 19’524 CHF im Jahr.

Weibliche Schauspielerinnen mit Fachhochschulabschluss kriegen nach den minimalen Zahlen 4550 CHF und nach den maximalen Zahlen 6023 CHF. Dies macht eine Diskrepanz von 1473 CHF. Diese Diskrepanz mal zwölf gerechnet macht einen Unterschied von 17’676 CHF im Jahr.

Bei den Damen mit abgeschlossener Berufsausbildung, also einem Diplom einer privaten Schauspielschule sind folgende Zahlen zu finden. Beim minimalen Einkommen stehen 3980 CHF und beim maximalen Einkommen 5267 CHF, die Differenz beträgt 1287 CHF. Diese Diskrepanz mal zwölf gerechnet macht einen Unterschied von 15’444 CHF im Jahr.

In anderen Berufen von stark umkämpften Märkten sind die Unterschiede kleiner. Bei den Polygrafinnen mit abgeschlossener Berufsausbildung, also einem Lehrabschluss, verdienen die Arbeitnehmerinnen im minimalen Einkommen 3815 CHF und im maximalen Einkommen 5091 CHF. Dies weist eine Differenz von 1276 CHF auf. Diese Diskrepanz mal zwölf gerechnet macht einen Unterschied von 15’312 CHF im Jahr. Sie kommen den Schauspielerinnen mit privatem Diplom in der Diskrepanz sehr nahe.

Eine Servicefachangestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung, also einem Lehrabschluss, verdient als minimales Einkommen 3441 CHF und im maximalen Einkommen 4373 CHF. Dies ist eine Differenz von 932 CHF. Diese Diskrepanz mal zwölf gerechnet macht einen Unterschied von 11’184 CHF im Jahr. Weist also eine wesentlich kleinere Differenz auf.

Diese Zahlen zeigen mir, dass in der Schauspielerei die Minimaleinnahmen und Maximaleinnahmen weiter auseinanderliegen, als dies bei anderen Berufen üblich ist. Es verdienen also gewisse Schauspielende wesentlich mehr als andere Schauspielende.

Die Diskrepanz zwischen den Salären von Schauspielenden mit Fachhochschulabschluss und ohne Fachhochschulabschluss erkläre ich mir dadurch, dass Schauspielende mit Fachhochschulabschluss eher an Häusern arbeiten und quasi festangestellt sind und da sie durch diese Fachhochschulen ein besseres Netzwerk kriegen, auch eher von Schauspielagenturen vertreten werden und dadurch grössere und besser bezahlte Aufträge erhalten.

8. Was Schauspielende tatsächlich verdienen müssten

Nach all dieser Recherche über die möglichen Einkünfte der Schauspielenden, wollte ich wissen, wieviel eine Schauspielende Person, welche in der Stadt Zürich im Kreis 9 lebt, hypothetisch verdienen müsste, um den Lebensunterhalt zu bewerkstelligen.

Für die Versicherungssummen habe ich Angaben von der ETH genommen und Zahlen, welche ähnlich meiner Summen sind, da diese individuell berechnet werden und im Internet nicht verfügbar sind. Übrigens bin ich in meiner Erwerbsausfallversicherung nicht als Schauspielerin versichert, weil man da Angst hat, dass die Prämien nicht bezahlt werden können und weil der Beruf ein erhöhtes Unfallrisiko mit sich bringt. Ich wurde auf meinen gelernten Beruf, als Polygrafin, versichert und wenn dies nicht möglich gewesen wäre, wäre ich als Mutter und Hausfrau versichert worden.

In die Versicherungen habe ich folgende fünf berechnet: Erwerbsausfallversicherung, Unfallversicherung, Taggeldversicherung, Krankenkasse, Privat- und Haftpflichtversicherung.

Bei der Privat- und Haftpflichtversicherung erübrigt sich wohl eine Erklärung. Die Unfallversicherung ist nötig, damit Unfall bei Nichterwerb gedeckt ist. Also dann, wenn man als Schauspielerin oder Schauspieler gerade kein Projekt hat, aber trotzdem wegen eines Unfalls oder einer Krankheit im Spital liegt. Die Taggeldversicherung ist dazu da, um die Kosten der ersten zwei Jahre nach dem Unfall oder der Krankheit zu denken und sollte man so schlimm beieinander sein, dass man gar nie mehr arbeiten kann, dann kommt die Erwerbsausfallentschädigung zum Zuge. Man versichert sich also eigentlich schon wie eine selbständigerwerbende Person. Alle drei Versicherungen werden bei einer üblichen Anstellung bis zu einem gewissen grad gedeckt. Nach meinem Versicherungsberater sind sie zwar gedeckt, meistens aber auf einem zu niedrigen Niveau. In meiner Berechnung bin ich auf einen monatlichen Betrag von 630.00 CHF gekommen.

Für die Lebenshaltungskosten habe ich mich an die monatliche Budgetierung der ETH gehalten. Nur die Wohnungskosten habe ich auf die durchschnittlichen Kosten einer 2 Zimmer Wohnung im Kreis 9 in Zürich angepasst. Die Aufstellung der ETH kannst du hier ansehen und die Kosten für eine Wohnung in Zürich hier herunterladen. Insgesamt bin ich auf 2425 CHF an Lebensunterhaltskosten gekommen.

Dann habe ich noch die ganzen beruflichen Auslagen berechnet, welche Schauspielende für die verschiedenen Filmplattformen, Theaterjobplattformen und Berufsverbände ausgeben. Dabei habe ich alle Filmplattformen und Theaterjobplattformen, welche aus meiner Sicht relevant sind, einbezogen. Zu den Filmplattformen gehören Filmmakers, Schauspielervideos, Castforward. Bei den Theaterplattformen wurden Theapolis und Stagepool berücksichtigt und bei den Berufsverbänden den SBKV mit der Plattform Schauspieler.ch. Weiter habe ich noch die Auslagen für das Marketing einberechnet. Dahinein fliessen die Kosten für eine Webseite, die Schauspielerfotos und ein Showreel, welche alle zwei Jahre neu erstellt werden müssen, damit sie für Casting-Agenturen brauchbar sind.

Auf das Total der gesamten Auslagen habe ich dann noch die berufliche Vorsorge gerechnet, und zwar jeweils für ein Angestelltenverhältnis, da ich diese Berechnung für freischaffende Schauspielende aufstelle. Allerdings habe ich das BVG wie schon zuvor voll zu Lasten des Arbeitnehmenden mit 12% berechnet. Die Steuern habe ich für eine ledige Person mit evangelischem Glauben und dem Grundsteuersatz ohne Vermögen berechnet. In Wirklichkeit wirst du sehr wohl etwas Vermögen haben, also werden deine Steuern auch höher sein.

Insgesamt komme ich mit all diesen Berechnungen auf ein minimales Jahreseinkommen von 55’177 CHF. Dieser Betrag ist aufgerundet. Angenommen, eine schauspielende Person würde nun immer 40 Stunden die Woche arbeiten können, so würde unsere Rechnung wie folgt aussehen. Wir nehmen die gehabten 5 Monate an je 40 Stunden Arbeit pro Woche. Wir rechnen also 5 Monate mal 4 Wochen mal 40 Stunden. Dies ergibt uns erneut 820 Stunden. Dann rechnen wir die 55’177 CHF durch 12 und erhalten 4’598.10 CHF diese rechnen wir mal 5 Monate. Unser Resultat sind 22’990.42 CHF. Diese 22’990.42 CHF rechnen wir nun durch 820 Stunden, was uns einen Stundensatz von 28.04 CHF ergibt. Damit haben wir aber nur die Lebenshaltungskosten gedeckt. Den eigentlichen Wert der Arbeit einer schauspielenden Person ist da noch nicht eingerechnet.

Wenn wir nun davon ausgehen, dass eine schauspielende Person viel Zeit für die Akquise von Aufträgen, nämlich in Vorsprechen und das Marketing aufwendet und deshalb sehr viel weniger als 40 Stunden die Woche arbeiten kann, müssen wir die Stundenzahl für die eigentliche Arbeit reduzieren. Rechnen wir also mit der Hälfte der Stunden für effektive Arbeit in einer Woche. Rechnen wir mit 20 Stunden effektiver Arbeit und die Zeit für die Auftragsbeschaffung in diese Stunden hinein.

Wir haben die Stundenzahl auf 20 Stunden reduziert und müssen den Einkommensbetrag demnach verdoppeln. Also rechnen wir diese 28.04 CHF mal zwei. Dies ergibt uns einen Stundensatz von 56.08 CHF. Dann sind wir dem Richtwert des tPunkt, welcher 60.53 CHF ergeben hatte, erstaunlich nahe und verstehen besser, warum eine Schauspielerin oder ein Schauspieler mindestens 60 CHF auf die Stunde verdienen sollte.

Wenn wir nun den Wert der Arbeit, das eigentliche Handwerk, das Training für Authentizität, die vielen Stunden an körperlichem Training, die erarbeitete Sprechtechnik mit einberechnen würden, müssten wir mindestens 20 CHF Wertschöpfung auf die 60 CHF drauf tun. Dann wären wir bei einem Stundenansatz von 80 CHF die Stunde.

Berechnung des Stundenansatzes nach Lebenshaltungskosten

9. Fazit

Irgendwo gibt es Schauspielerinnen und Schauspieler, welche wesentlich mehr verdienen als ich. Ich gehe mal davon aus, dass diese Agenturen haben und sehr viel mehr arbeiten, als ich das zurzeit kann. Weiter haben sie sich zu Beginn ihrer Karriere möglicherweise besser über diesen Beruf informiert und möglicherweise die besseren Entscheidungen getroffen, als ich dies in meinen jungen Jahren tat. Dazu kannst du gerne den Artikel Deine Karriereplanung zur Schauspieler_in lesen.

Weil mich dieses Thema wegen der Covid19-Pandemie und das Berufsverbot für darstellende Künstler brennend interessiert, habe ich eine Umfrage gestartet, welche die Einkünfte vor der Pandemie und die Einkünfte während der Pandemie untersucht. Weiter möchte ich berechnen, wieviel Schauspielende im deutschen Sprachraum verdienen.

Wenn du jetzt denkst, dass eine Grenzübergreifende Untersuchung sinnlos ist, lass mich dich aufklären. Freischaffende Schweizer Schauspielende arbeiten auch in Deutschland und Österreich und deutsche sowie österreichische Schauspielende in der Schweiz. Diese Grenzen sind aus meiner Erfahrung fliessend und deshalb kann man auch einfach den ganzen deutschen Sprachraum untersuchen.

Dieser Artikel behandelt ein schwieriges Thema, über welches viele Menschen ungern reden. Gerade deswegen freue ich mich über eine Diskussion und deinen Mut in die Kommentare zu schreiben. Was war das Minimum an Lohn, für welches du jemals einen Schauspieljob angenommen hast und für was für einen Job hast du einen echt fairen Preis erhalten? Wie findest du, dass sich der Markt in Bezug auf Bezahlung verändern sollte?

Ich freue mich über deine Gedanken und Anregungen.

Von Herzen,
Isabel

Wieviel Schweizer Schauspielende schätzungsweise verdienen Read More »

Hommage ans Theater

Hommage ans Theater

oder «Warum ich es vermisse ins Theater zu gehen.»

Hommage ans Theater

Seit einem Jahr sind die Theater mehrheitlich geschlossen. Theater wird online gezeigt und es ist eigentlich gut gemacht und gut gemeint, aber es ist einfach nicht dasselbe. Ich vermisse Theater. Theater in Ko-Präsenz, Theater mit Menschen in einem Raum, Theater mit Schauspielenden und Publikum. Ich vermisse dieses Ereignis, welches wir Theater nennen. Hier schreibe ich nur über die Guckkastenbühne, aber eigentlich vermisse ich jede Form von Theater. Und ich sage dir warum.

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Autorin: Isabel Sulger Büel, veröffentlicht: 17. März 2021.

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1. Warum Theater Online keine Lösung ist

Ich habe es wirklich versucht, ich habe mir ein Ticket zu Maria Stuart beim deutschen Theater Berlin gekauft und mich gefreut Theater zu schauen. Aber es ist einfach nicht dasselbe. Die Kameras waren irgendwie alle zu weit weg, die Kameraeinstellung unpassend. Und zu allem Übel hat mein Papa noch mitten in der Life-Übertragung angerufen. Ich Idiot bin rangegangen und habe den Höhepunkt verpasst. Im Theater denke ich immer daran, mein Mobiltelefon auszuschalten. Leider kam bei mir die Stimmung nicht wirklich auf, das abgefilmte Stück hat sich einfach nur wie ein schlechter Film angefühlt.

Um einiges besser kam die Produktion «Das Glashaus» vom Jungen DT bei mir an. Da war die Kameraführung genügend Nahe und echt gut. Einen positiven Aspekt hat die Pandemie, ohne sie, könnte ich gar keine Produktionen vom DT schauen, weil ich ganz wo anders wohne. In Bezug auf Theater fehlt mir trotzdem etwas.

2. Die leibliche Ko-Präsenz

Mir fehlte die Energie der Schauspielenden. Diese Energie, mit der Sie den Raum erfüllen. Der Energiewechsel, welcher mit jedem neuen Auftritt und jedem neuen Abgang und jeder noch so kleinen Veränderung gleich den ganzen Saal beeinflusst. Mir fehlte es, in der ersten Reihe zu sitzen und das Handwerk der Schauspielenden zu sehen, wie sie die Emotionen produzieren, wie sie ihre Haltung verändern, wie sie bewusst sprechen. Mir fehlte der Anblick ihrer Spucke, die, durch die saubere Artikulation herausgeschleudert, auf die Bühne fällt.

3. Die Freiheit das anzuschauen was ich will

Weiter störte mich, dass die Kamera mir vorgab, was ich zu schauen hatte. Vielleicht hätte ich lieber gesehen wie der Schauspielende von gerade eben reagiert, wenn das Licht bei ihm ausgeht. Ich hätte gerne gesehen, wie die Schauspielenden aufeinander reagieren, wenn sie sich nur hören können, aber das kam bei mir nicht an. Mir fehlte was bei dieser Online-Theater-Aufführung. Meine Freiheit das anzuschauen und dort den Fokus zu setzten, wo ich will.

4. Die Stimmung im Saal

Mir fehlte die Energie der Zuschauenden, wie der Raum unter dem Einfluss des Spiels manchmal vibriert. Mir fehlten die Seufzer, die Lacher, das Raunen der Zuschauenden. Mein Zimmer war leider menschenleer. Da waren keine gespannten Gesichter im Raum und da waren keine Schauspielenden, welche die Zuschauenden beeinflussten. Die Energie, auch wenn gut gespielt, kam bei mir nicht an. Vielleicht muss ich beim nächsten Mal meine Freunde einladen, damit wenigsten etwas an dieser Situation stimmt.

5. Nach dem Stück zusammensitzen

Ich vermisse es, nach dem Sehen des Theaterstücks mit meinen Freunden oder den Schauspielenden oder beiden an einem Tisch zu sitzen und über Theater zu sprechen. Mich auszutauschen, über Patzer zu lachen oder zu fragen, wie sie diese oder jene Szene gemeistert haben. Die Freude über eine gelungene Aufführung mit den Beteiligten zu teilen. Oder zuzuhören, was besser oder anders laufen sollte. Ich vermisse es über Handwerk, Stücke, Autoren oder über andere künstlerische Einflüsse aufs Theater zu sprechen. Neues über das Theater zu lernen. Neue Erfahrungen mit Theater zu machen. 


Ich vermisse Theater. Sehr sogar.

Vermisst du Theater so sehr wie ich? Wie gehst du mit den Restriktionen der Covid-19 Pandemie um? Wird es dir manchmal auch zu viel immer nur Theater online schauen zu können?

Ich freue mich sehr auf deine Erzählungen.



Von Herzen,

Isabel

Nachtrag vom 11. November 2021
Heute ging ich im Rahmen einer Aufführung, bei welcher wir für INTRIGE – Magazin für junges Theater schreiben, born to shine im Schauspielhaus schauen. Es war eine gelungene Inszenierung und eine Wohltat Theater in seiner natürlichen Umgebung zu erleben. 

 

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Wie du in 10 Schritten eine Schauspielrolle erarbeitest

Wie du in 10 Schritten eine Schauspielrolle erarbeitest

Wie du in 10 Schritten eine Schauspielrolle erarbeitest

Um eine Schauspielrolle glaubwürdig zu verkörpern, brauchst du ein grundlegendes Verständnis für das Stück und seinen historischen Kontext. Dass bedeutet, du musst die Lebensumstände der damaligen Zeit und die gesellschaftlichen Umstände verstehen. Aufbauend auf diesem Hintergrundwissen, untersuchst du die Umstände deiner Rolle. Dann lernst du den Text auswendig und probierst danach mit dem Text, deiner Stimme und deinem Körper aus, was am besten zu deiner Rolle passt. Hier findest du eine Anleitung, wie du in 10 Schritten eine Schauspielrolle erarbeitest.

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Das Vorgehen, welches ich beschreibe, wird als deduktiver Rollenaufbau[1] bezeichnet. Wir arbeiten uns von aussen nach innen vor, oder anders formuliert, von der zur Verfügung stehenden Information zur Rolle. Das Gegenteil ist ein induktiver Rollenaufbau, was bedeutet, dass nur die Eckdaten als Information verwendet werden und durch Improvisation zur Rolle gefunden wird.

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Autorin: Isabel Sulger Büel, veröffentlicht: 5. Januar 2021.

1. Das Stück lesen

Dieser Schritt bildet die Grundlage für die gesamte Rollenarbeit. Schreibe dir eine Zusammenfassung der Handlung auf. Damit stellst du sicher, dass du diese verstanden hast. Weiter kannst du Handlungen deiner Figur heraussuchen, welche für diese bezeichnend sind. Damit meine ich Handlungen, welche die Gefühle und dadurch das Verhalten deiner Rolle grundlegend verändern. Im Theaterjargon wird von einem Drehpunkt gesprochen. Wenn ein Drehpunkt die ganze Handlung des Stücks verändert, sprechen wir von einem Fabeldrehpunkt. 

Fragen, die du dir dazu stellen kannst, sind: Welche Persönlichkeit hat deine Rolle? Wo findest du Drehpunkte für deine Rolle? Von welchem Gefühl zu welchem neuen Gefühl wechselt sie?

2. Die Situation deiner Rolle analysieren

Um die Situation der Rolle zu erfassen benutze ich die Methode, welche «Die Situation»[2] genannt wird. Dabei werden 6 W-Fragen an die Situation beantwortet, welche dir ein vertieftes Verständnis für die Situation deiner Rolle geben.

«Woher komme ich?»

Die erste dieser Fragen, erörtert die Vorgeschichte der Situation, also auch die emotionale Haltung, mit der die Figur in die Situation eintritt. Überlege dir, was vor der Szene passiert ist und wo deine Figur war.

«Wo befinde ich mich?»

Die zweite dieser Fragen, fragt nach dem Ort, an dem sich die Figur befindet und was dieser Ort mit ihr macht. Überlege dir wie deine Figur zu dem Ort steht, in welchem sie sich befindet und was er ihr bedeutet.

«Wozu komme ich?»

Die dritte dieser Fragen, erörtert die Absicht, mit welcher die Figur in die Situation eintritt. Überlege dir, was das Ziel deiner Figur ist. Mit welcher Absicht sie in die Szene eintritt und ob diese Absicht sich während der Szene verändert.

«Wer ist da?»

Die vierte dieser Fragen, untersucht die Beziehungen zwischen den anwesenden Figuren. Überlege dir wie deine Figur zu den anderen Figuren steht, welchen sie vertraut und welchen sie misstraut. Möglicherweise gibt es eine Vorgeschichte, welche durch das Verhalten der Figuren zum Vorschein kommt.

«Wohin gehe ich?»

Die fünfte dieser Fragen, beschäftigt sich mit der Nachgeschichte. Dabei ist wichtig, ob die Nachgeschichte durch die Situation hervorgerufen wird oder ob diese schon vor dem Eintreten in die Situation geplant war. Überlege dir, wie und warum deine Figur den Ort bzw. Raum wieder verlässt und was ihr dazu Anlass gibt.

«Was ist wichtig?»

Die sechste dieser Fragen, untersucht das besondere und einzigartige an der Situation. Überlege dir, was dir besonders aufgefallen ist. Möglicherweise hat dich etwas beim Lesen überrascht.

Wenn du alle diese Fragen eindeutig beantworten konntest, stellt sich noch die grundlegende Frage, wie du das erarbeitete Zeigen willst und wieviel von deinen erarbeiteten Haltungen zu sehen sein soll. Besonders wichtig sind die Diskrepanzen einer Figur. Wo sind das Gesprochene und das Verhalten der Figur gegenläufig? Ist die Figur irgendwo zerrissen? Die Konflikte einer Figur sind spannende Ansätze, um eine Rolle zu erarbeiten.

3. Hintergrundinformationen sammeln

Gerade bei klassischen Texten, versuche ich den historischen Kontext zu erfassen. Dabei hilft mir in erster Linie Erläuterungs-Literatur. Dabei stelle ich mir weitere Fragen. «Wie haben diese Menschen gelebt?», «Was waren ihre gesellschaftlichen Normen?», «Was war das Besondere an dieser Geschichte für die damalige Zeit?».

Weiter schaue ich mir Interviews von Schauspielern an, welche diese Rolle schon einmal gespielt hatten und über diese reden. Manchmal schaue ich mir auch Aufnahmen von Theateraufführungen an oder frage Berufskollegen, wie sie die Rolle und das Stück sehen.

4. Bedeutung des Textes erfassen

Um die Bedeutung des Textes zu erfassen gibt es in der Schauspielerei eine Übung, in welcher der Subtext einer Figur untersucht wird. Dabei ist es wichtig, dass du erfasst, was die Figur mit dem was sie sagt meint. Es geht darum, das was zwischen den Zeilen steht herauszulesen und aufzuschreiben.

Ich schreibe mir jeweils den effektiven Text auf ein Blatt Papier und schreibe die Gedanken der Figur (Subtext) darunter. Je besser du den Subtext erarbeitest, umso mehr können dir auch Konflikte deiner Figur auffallen und umso vielschichtiger kannst du deine Figur begreifen.

5. Den Text Auswendiglernen

Wenn du die Vorarbeit zu diesem Punkt seriös gemacht hast, sollte dir das Text Auswendiglernen etwas leichter fallen. Wichtig ist, dass der Text wirklich gut verinnerlicht und jeder Zeit abrufbar ist, egal was um dich herum passiert. Ich beginne immer damit, den Text abzudecken und den genauen Wortlaut mehrmals hintereinander zu repetieren. Bis ich den Satz verinnerlicht habe.

6. Die passende Stimme finden

Mit all deinem Vorwissen und dem gelernten Text, kannst du jetzt anfangen die passende Stimme für deine Figur zu suchen. Wie spricht deine Figur? Hat sie einen Akzent? Ist ein Vokal langgezogen oder betont sie eine Konsonante in gewisser Weise auffällig? Gerade bei klassischen Texten ist es manchmal schwierig diese natürlich zu sprechen. Solltest du Mühe haben, probiere ihn mal in deinem Dialekt zu sprechen. Das kann helfen einen natürlicheren Zugang zu finden. Probiere herum, bis du eine Art des Sprechens gefunden hast, welche für dich stimmig ist.

7. Den passenden Körper finden

Jetzt wo du den Text und die Stimme kannst, versuche herauszufinden, wie deine Figur sich bewegt. Ist sie Stolz und läuft mit hervorgehobener Brust herum oder ist sie eine graue Maus und lässt deshalb das Brustbein einsinken? Wie geht sie dribbelnd oder in langgezogenem Schreiten? Was macht sie mit den Armen? Hat deine Figur einen Tick, den sie ausmacht? Alle diese Fragen und noch viele mehr kannst du erforschen. Fühl dich frei, probiere herum und behalte was sich stimmig anfühlt.

8. Die passenden Emotionen finden

Auch hier kannst du mit der Stimme und dem Körper verschiedene Emotionen ausprobieren. Frage dich, wie sich deine Figur fühlt. Was sie bewegt und wie sich das ausdrückt. Auf Youtube gibt es verschiedene Schauspielcoachs, welche Filmszenen untersuchen. Schaue dir ein paar passende davon an, um dir ein Bild von den Möglichkeiten zu machen und dann auszuprobieren, was für dich stimmt.

9. Das angeeignete Verinnerlichen

Wenn du bei all diesen Punkten eine stimmige Ausdrucksart gefunden hast und dich mit dem erarbeiteten Wohl fühlst. Dann geht es daran, dies zu üben. Da Schauspieler ohnehin 4–8 Stunden am Tag proben, üben sie dann. Manchmal üben sie auch noch vor, nach und zwischen den Proben. Dir empfehle ich eine Stunde am Tag zu investieren.

Wenn du mit einem Regisseur zusammenarbeitest, würde ich erst noch mit ihm Absprechen ob eure Vorstellungen zur Figur ähnlich sind. Du kannst ihm aber auf jeden Fall mehrere Angebote zeigen, sollte dein erstes Angebot nicht bei ihm ankommen. Wenn du einfach für dich übst Zeige deine Arbeit einem Vertrauten, oder einem Schauspielcoach. Damit kannst du überprüfen, ob das was du beabsichtigst auch bei den Zuschauenden ankommt. Mehrere Meinungen geben möglicherweise eine tiefere Einsicht, darüber wie deine Rolle beim Publikum ankommt.

10. Auf die Bühne stehen und spielen

Wenn es dann zur Aufführung oder dem Vorsprechen kommt, steh auf die Bühne und mach. Suzanne Esper vom Bill Esper Studio NYC hat mal in einer Probe gesagt, dass man all diese Arbeit in eine Rolle steckt, um am Ende auf der Bühne, alles wieder zu vergessen. Damit meint sie nicht, dass du vergessen sollst, was du geübt hast, sondern dass du auf das, was du geübt hast vertrauen sollst. Lasse das geübte in gewisser Weise los und steige zu 100% in den Moment ein. Wenn du dich selbst während dem Vorspiel überraschst, ist das super. Mach einfach weiter.

Zum Abschluss

Ich wünsche mir, dass dir diese Anleitung geholfen hat und dass du dich nun bereit fühlst mit deiner Rolle auf die Bühne zu gehen und Theater zu spielen. Toi, toi, toi, und viel Spass wünsche ich dir dabei. Lass mich doch wissen, ob dir das beschriebene Vorgehen geholfen hat und wie es dir in deinem Rollenprozess erging.

Ich freue mich sehr auf deine Erzählungen.

Von Herzen,
Isabel


Quellenverzeichnis

[1] Deduktiver bzw. induktiver Rollenaufbau: (Vom Suchen und Finden der eigenen Rolle(n), Anja Grimbichler, September 2006, S. 16;
in Simhandl zitiert in Weintz 2003, S 193).

[2] «Die Situation» Schauspiel Schule Zürich (SSZ), 2011, Christian Seiler

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6 Wege im Umgang mit dem Tod

6 Wege im Umgang mit dem Tod

22. Dezember 2020

Im April 2013 starb mein jüngster Bruder an Krebs. Er wurde 23 Jahre alt. Damals brach für mich eine Welt zusammen. In diesem Artikel beschreibe ich 6 Wege im Umgang mit dem Tod, die mir dabei geholfen haben, diese Krise zu überstehen. Schön wäre es, wenn sie auch dir helfen.

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1. Sei lieb mit dir

6 Wege im Umgang mit dem Tod: Sei lieb mit dir

Wenn du mit dem Verlust einer nahestehenden Person konfrontiert wirst, nimm dir die Zeit und die Geduld, dir selbst zu sorgen. Es ist in Ordnung, wenn du kurzfristig Termine absagst, weil du dich einfach danach fühlst alleine zu sein oder keine Energie mehr hast. Nimm dir diese Freiheit. Es ist auch ganz normal, wenn du dich alle paar Minuten unterschiedlich fühlst. Leben hat dir gerade eine heftige Erfahrung erteilt. 

Gleich nach dem Tod meines Bruders, war es für mich sehr schwierig meine Freunde zu sehen, weil ich mich wie hinter einer Glaswand eingeschlossen fühlte, welche mich vom Leben abschnitt. Leben passierte auf der anderen Seite der Wand. Ich fühlte mich im tiefsten Sinne Leer. 

Solltest du viel Schlaf gebrauchen, weil du immer müde bist, gesteh dir dies zu. Du musst gerade viel verarbeiten und das macht zum einen müde und zum anderen hilft Schlaf beim Verarbeiten, zumindest ging es mir so. 

Meine grundlegende Überlebensstrategie war mich an Tagespläne zu halten und diese durchzuziehen. Um 7.30 Uhr aufstehen, drei Mahlzeiten essen, egal ob ich hungrig war oder nicht, abends zur gewohnten Zeit schlafen gehen. 

Jeder Mensch muss individuell mit dieser Situation umgehen, du darfst also einfach auf dich hören. Dies war mein erster der 6 Wege im Umgang mit dem Tod.

2. Lebensberater

6 Wege im Umgang mit dem Tod: Lebensberater

Durch eine Bekannte erfuhr ich vom Sommerkurs am Bill Esper Studio in New York City. Um dort teilnehmen zu können, muss man das Buch «The Actor’s Art and Craft», geschrieben von William Esper und Damon DiMarco, lesen. Das Geschriebene überzeugte mich so sehr, dass ich mich für den Schauspielkurs anmeldete. 

Folgender Satz hat mich am meisten gefesselt: «To an observer, it should appear as if they’ve rehearsed what they’re doing over and over again – that’s the final measure of a true improvisation.» Ich wusste schon länger, dass ich Improvisation beherrschen wollte, da ich 2008 bei BATS IMPROV Szenen gesehen hatte, welche improvisiert waren, aber wie perfekt inszenierte Szenen wirkten. 

Der Sommer 2014, in New York, war auf vielen Ebenen heilsam. Zum einen half mir Schauspielerei zum zweiten Mal mich selbst zu spüren und hat mir damit zum zweiten Mal mein emotionales Leben gerettet. In New York habe ich Freundschaften fürs Leben geschlossen, einige meiner besten Freunde leben in den USA. Ich habe mich ein weiteres Mal in New York verliebt. New York ist meine absolute Lieblingsstadt, ich mag ihre dichte Energie und diese Kombination und Diskrepanz von Kreativität und Wirtschaft, welche sie ausmacht. 

Was mir aber am meisten geholfen hat, war das ich aus meinem Hamsterrad herausgeholt und auf mich selbst zurückgeworfen wurde. Während den ersten zwei Wochen gestand ich mir ein, dass ich den Tod meines Bruders mit Nichten verarbeitet hatte, dass ich dabei war mich wieder zu verlieren und dass ich jetzt zu viel erlebt hatte, um mich alleine aus dem komplexen Sumpf meines Seins herauszuholen. Ich musste mir eingestehen, dass ich Hilfe brauchte, wenn ich mit diesem traumatischen Erlebnis und allen anderen traumatischen Erlebnissen klarkommen wollte. 

Zwei Kriterien waren mir besonders wichtig bei der Wahl der Person welche mir helfen sollte. Zum einen sollte sie niemanden aus meiner Familie kennen, damit sie sich nur auf mich und meine Perspektive konzentrieren würde, und zum anderen sollte sie ein gewisses Verständnis für Theater haben. Die Frage, wer mir helfen könnte, beschäftigte mich von Ende Juni bis Ende September 2014. In diesem Zeitraum erinnerte ich mich an einen Co-Statisten, welchen ich auf dem Dreh zum Bollywood Film «Mausam 2011» kennengelernt hatte. Diya W. Peter hatte mir damals gesagt, dass er als Lebensberater arbeitet und damit erfüllte er beide meiner Kriterien. 

Wir vereinbarten im Oktober 2014 als erstes eine Probesitzung. Diese war erfolgreich und seither treffen wir uns in monatlichen Sitzungen. Wenn ich gewusst hätte, wie sehr mir der richtige Lebensberater helfen würde, hätte ich mir wohl früher Hilfe zugestanden. Durch diese Zusammenarbeit bin ich emotional erwachsen geworden, die Traumatisierungen und verhärteten Gefühle sind durch emotionale Durchlässigkeit ersetzt worden, was meine Überemotionalität zum grössten Teil eliminiert hat.

Es gibt immer noch Arbeitsthemen und Auslöser, an denen ich arbeite, aber es geht mir gut. Mir hat ein Lebensberater sehr geholfen. Ob dies ein Weg für dich ist, musst du für dich entscheiden. Jedenfalls war dies mein zweiter der 6 Wege im Umgang mit dem Tod.

Das Buch «The Actor’s Art and Craft», geschrieben von William Esper und Damon DiMarco.
Dank diesem Buch habe ich mich für den Sommerkurs 2014 am Bill Esper Studio angemeldet.

3. Kunst

Dieses Video kann für Personen mit Epilepsie gefährlich sein.

Wie schon erwähnt, hat mir Schauspielerei damals sehr geholfen, um mich selbst zu spüren. Da ich aber sehr Mühe hatte Gefühle zu zeigen, da diese alle verknotet und heruntergeschluckt und dadurch verhärtet in mir waren, kamen diese nicht heraus.

Im Jahr 2013 veröffentlichet Taylor Swift das traurigste Album, welches sie möglicherweise jemals geschrieben hat. Mir hat ihre Musik auf dem Album «Red» durch seinen Ausdruck von Schmerz sehr geholfen. Gerade das Lied und die Zeile «Come Back…Be Here» war sowas von passend.

Da mein Bruder den Jahrgang wie Taylor Swift teilte, war auch das Lied «22» wichtig für mich, da ich in der Zeit von Diagnose und Tod zwischen Hoffnung, Angst und Trauer hin und her gerissen war. Taylor Swift’s Musik begleitet mich seither. Aus meiner Sicht hat sie eine einzigartige Gabe Gefühle und Situationen in Musik und Reime umzuwandeln. Für mich ist Sie eine grossartige Lyrikerin.

Zwei Jahre, nachdem mein Bruder gestorben war, fing ich die Berufsmaturitätsschule für Gestaltung und Kunst in Zürich an. Die Aufnahmeprüfung hatte ich schon 2014 absolviert und zu meiner eigenen Überraschung bestanden. Da ich mir aber über alles in meinem Leben unsicher war, fing ich erst 2015 mit der Ausbildung an. Diese Entscheidung war eine der Besten meines Lebens, weil ich in die beste Klasse, meiner gesamten Schulkarriere, eingeteilt wurde. Wir sehen uns jetzt noch jährlich zum Klassentreffen, was die lustigsten und schönsten Abende meines Lebens bedeuten.

Neben dieser wundervollen Klasse durfte ich vier Lektionen die Woche kreativ sein. Meine Abschlussarbeit in Kunst, zum vorgegebenen Thema «Resonanz», machte ich über meinen persönlichen Prozess, welchen ich seit dem Tod meines Bruders durchlaufen hatte. Kunst ist mein dritter der 6 Wege im Umgang mit dem Tod.

Das Album «Red» von Taylor Swift, welches mir sehr geholfen hat.

4. Gute Freunde

6 Wege im Umgang mit dem Tod: gute Freunde

Zwei meiner Freunde waren wirklich wichtig in der schwierigen Zeit damals und sind es heute noch. Zum einen hat sich einer meiner Freunde die Zeit genommen extra eine Stunde aus der Stadt zu meiner Arbeit zu fahren und mit mir zu Mittag zu essen, um mich ernsthaft zu fragen, wie es mir gehe. Diese Geste habe ich sehr geschätzt. Auch wenn ich ehrlichgesagt gar nicht wusste, wie es mir geht, da meine Gefühle grundsätzlich Achterbahn fuhren oder inexistent waren. Damals sagte ich oft, dass es mir unterschiedlich gehen würde.

Zum anderen hatte ich eine Freundin, die mir vorbehaltlos zuhörte und mich die Seele vom Leib reden ließ, egal wie schlimm oder komisch oder bescheuert meine Aussagen waren. Das hat mir sehr geholfen, auch wenn sich meine Freundin wohl Sorgen gemacht hat. Solange eine Person über schlimme Dinge redet besteht Hoffnung. Erst wenn diese Person zu schweigen beginnt und für sich abschliesst, wird es wirklich gefährlich.

Damit du eine gute Freundin oder ein guter Freund sein kannst, empfehle ich dir einen ENSA Kurs bei Pro Mente Sana. Dort lernst du erste Nothilfe für psychische Gesundheit. Gute Freunde sind mein vierter der 6 Wege im Umgang mit dem Tod.

5. Tägliche Rituale

6 Wege im Umgang mit dem Tod: tägliche Rituale

Es hat mich vier Jahre Zusammenarbeit mit meinem Lebensberater gebraucht, um tägliche Rituale in mein Leben einführen zu können, und dass obwohl er mir schon in der zweiten Sitzung ein Ritual als Aufgabe mitgab. Die Aufgabe war jeden Abend fünf Dinge aufzuschreiben, für die ich dankbar war. Erst im Sommer 2017, konnte ich wieder Dankbarkeit empfinden und seither schreibe ich diese fünf Dinge jeden Tag auf.

Ein zweites Ritual, welches mir hilft, ist tägliche Meditation. Dies kann morgens oder abends sein und dauert bei mir in etwa 10–15 Minuten. Während der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene praktizierte ich morgens Teemeditationen am Zürichsee mit Blick auf die Berge. Diese Zeit zur inneren Fokussierung mit dieser wunderschönen Umgebung hat mir sehr viel Energie gegeben.

Rituale helfen mir meinen Tag zu strukturieren und mich emotional stabil zu halten. Dank ihnen nehme ich mir mehrmals am Tag 5–10 Minuten Zeit, in denen ich mein Denken, meine Perspektiven und meine Gefühle wahrnehme, anerkenne und reflektiere. Kurzgesagt, ich übe mich in Achtsamkeit. In diese Achtsamkeit für meinen Gefühlskanon gehört auch die Trauer über den grossen Verlust meines Bruders und wie ich am besten damit umgehen kann. Rituale ist mein fünfter der 6 Wege im Umgang mit dem Tod.

6. Zeit

6 Wege im Umgang mit dem Tod: Zeit

Sei geduldig mit dir, wenn es darum geht mit dem Verlust und dem Schmerz, den der Tod einer nahestehenden Person auslöst, umzugehen. Mich hat das Verarbeiten des Schmerzes in etwa sechs Jahre gebraucht. Dabei habe ich mich stark verändert, deshalb rate ich von unwiderruflichen Lebensentscheidungen in dieser Zeit ab.

Im Trauerprozess von Verena Kast, welcher in vier Phasen eingeteilt wird, habe ich meinen persönlichen Trauerprozess wiedererkannt. Sie beschreibt diesen ausführlich in ihrem Buch «Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses». Dabei geht es in der ersten Phase darum, dass man den Verlust nicht wahrhaben will. Dies war für mich die Zeit von dem Tod meines Bruders bis zur Erkenntnis, dass ich mir helfen lassen muss.

Die zweite Phase bezeichnet Verena Kast als die Phase, in der die Emotionen aufbrechen. In New York konnte ich diesen Verlust zum ersten Mal beweinen. In der dritten Phase sucht, findet und trennt man sich in gewisser Weise von der Person, welche man verloren hat. Freunde meines Bruders haben mir ähnliche Verhaltenszüge aufgezeigt, aber weiter kann ich mich nicht bewusst an diesen Prozess erinnern. Die verlorene Person soll nach Verena Kast im besten Fall ein «innerer Begleiter» werden, der mit der Entwicklung von, in diesem Fall mir, mitwächst.

In der vierten und letzten Phase findet die trauernde Person einen neuen Welt- und Selbstbezug. Diesen Punkt kann ich aus meiner Erfahrung voll und ganz unterstützen. Meine Selbst- und Fremdwahrnehmung hat sich fundamental, aber positiv, verändert. In dieser Phase wird der Verlust akzeptiert.

Natürlich gibt es immer noch Momente, in denen ich über diesen Verlust sehr traurig bin, aber die meiste Zeit ist es okay. Manchmal kann ich für diese Erfahrung sogar dankbar sein, weil sie für mich ein Weckruf war und mich diesen wertvollen Wachstumsprozess durchlaufen liess. Zeit nehmen und Zeit geben ist mein sechster der 6 Wege im Umgang mit dem Tod

Das Buch von Verena Kast «Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses»,
in welchem ich meinen Trauerprozess wiedererkannt habe.

Vielleicht magst du mir von deinen Schicksalsschlägen erzählen? Wie bist du mit einem grossen Verlust umgegangen? Haben dir andere oder ähnliche Dinge geholfen wie mir?

Ich höre dir gerne zu.

Von Herzen,
Isabel

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